Augen auf die Strasse, Jane Jacobs
Wenn heute Investoren ein Areal entwickeln sollen, so stellt sich die Frage nach der Attraktivität des Standorts und nach dessen Bewohnbarkeit. Wer zieht schon in eine Wohnung an einer engen Strasse, wo das Auto nicht abgestellt werden kann, wo die Kinder direkt im Strassenverkehr stehen, wenn sie aus der Haustür treten, und wo man sich weder links noch rechts ausdehnen kann? Genau das aber ist die Situation der vier Gebäude, die jetzt dort die Häuserzeile ausmachen. Da die Häuser bereits in einer Reihe stehen, sind sie alle auch gleichermassen von der beengten Lage betroffen. Wollte man jedes der vier Gebäude einzeln ersetzen, so
wäre vieles schlicht nicht realisierbar. Kein Parkplatz, kein schöner Aussenraum, keine attraktive Wohnlage. Wesentlich besser sieht es aus, wenn die Eigentümer hier zusammenspannen und sozusagen das gesamte Quartier gemeinsam planen. Doch dafür braucht es – schon zu Beginn – ein Umdenken.
Umdenken, das beginnt bei der Ausrichtung der Fassaden. Denn die Lage an der vielbefahrenen «Gassa» könnte dazu verführen, sich von der Strasse abzuwenden und das Leben ganz nach hinten hinaus Richtung Bongert zu organisieren. Damit würde der Strassenzug aber lebloser und abweisender werden. Was das Dorfbild negativ beeinflusst. Denn die Gasse im Unterdorf ist nicht nur die Hauptverkehrsader für den MIV, hier führt auch der Wanderweg durch und auch die Velofahrenden kommen hier vorbei.
Die Lage an der Gasse wäre eigentlich eine Chance, ein Pluspunkt – denn hier fahren und gehen Leute durch, hier könnte man Kontakte knüpfen, hier könnte man – etwa in einem Atelier – Arbeiten zeigen und gegen aussen treten. Immerhin sind auf der gegenüberliegenden Strassenseite Hauseingänge, die man über drei Treppenstufen erreicht. Hortensien, Holzfiguren und Oleanderbüsche geben der Strasse etwas Farbe, durch eine Einfahrt sieht man auf einen begrünten Hof – und schliesslich ist es ja auch die Südseite der zukünftigen Gebäude.
Eine der Bedingungen also war es, die Augen der Häuser auch auf die Strasse zu richten. Der Gedanke selbst stammt von Jane Jacobs und wurde 1961 in New York entwickelt,
zu einer Zeit, als man ganze Stadtteile zu «Slums» erklärte, planierte und anschliessend für den Autoverkehr optimierte Strukturen errichtete. Mit dem Resultat, dass die Kriminalität anstieg. Doch Sicherheit entsteht nach Jacobs, sobald Strasse, Platz und Trottoir allen gleichberechtigt zur Verfügung stehen. Der Übergang von öffentlich zu privat sollte eben nicht durch die Abwendung von der Strasse mit einer Mauer entstehen, sondern fliessend gestaltet werden.
Tiefgarage I und II
Der Verkehr bleibt und ist in Jenins eine ebenso grosse
Herausforderung wie die Parkierung. Der Gassenzug im Unterdorf wurde vor über 100 Jahren bebaut, zu einer Zeit, als allenfalls Fussgänger und Pferdefuhrwerke unterwegs
waren, meist aber Bauern mit ihrem Vieh oder mit Heuwagen. Heute dient die Strasse allen in Jenins als Zufahrt zu
ihren Häusern, auch Touristen kommen hier vorbei, wenn sie in den beliebten Restaurants von Jenins essen gehen.
Verbreitern lässt sich die Strasse nicht, trotzdem will man ja sein Auto direkt bei der Wohnung parken. Wer also dieses Areal entwickelt, muss Parkierungsmöglichkeiten schaffen. Hier geht dies einzig mit einer Tiefgarage – entweder mit
Zufahrt direkt zu Beginn der Gasse, also dort, wo jetzt das
Bogenfenster der Bäckerei zu sehen ist, oder vom Platz her über einen Autolift. Einige der Studierenden schoben die Garage in den Hang hinein und schufen davor Ateliers oder Werkräume und darüber Häuser, die sich zur Strasse orientieren. Teilweise entstanden auch Gebäudenischen oder Durchgänge in den Bongert, in denen man stehen bleiben und dem Verkehr ausweichen kann.
Lösungstypen
Unter den präsentierten Semesterarbeiten lassen sich – grob gesprochen – vier Typen von Lösungen unterscheiden. Eine Reihe von Atelierhäusern, in die man – von der Strasse her – reinschauen kann, einen Hof mit Lauben, das Zusammenstellen der Häuser zu einem Gehöft und die Lösung, anschliessend an den Torkel einen Treppenzugang zu schaffen, zu einem Haus mit Laden und offener Südlage, vor dem ein grosser Tisch steht.