Abos!

IM ZEICHEN DER ALPINEN BAUKULTUR.

Der Wunsch des Bauherrn für sein neues Wohnhaus in Samedan war eine Anlehnung an die Typologie der Bergeller Stallbauten. In enger und intensiver Zusammenarbeit zwischen der Bauherrschaft und dem Churer Baubureau OG27 AG entstand in Samedan ein Einfamilienhaus, das alpine Baukultur zelebriert. 


Text: Maya Höneisen

Bilder: Ingo Rasp

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Die erste Hürde beim Ersatzbau des alten 70er-Jahre Elementhauses in Samedan erreichte Bauherrschaft und Architektenteam von OG27 von Gesetzes wegen. Sie kam just zur Zeit des Zweitwohnungsgesetzes. Zweitwohnungen zu bauen, war nicht mehr erlaubt. «Wir haben aber festgestellt, dass wir mit dem neuen Gesetz bei einem Ersatz einer Zweitwohnung bis auf die Grundmauern des Kellergeschosses abbrechen dürfen, um darauf neu aufzubauen», erklärt Lorenzo Lazzarini von OG27. So wurde das Projekt auch ge­plant. Vorerst. Dann beschloss die Gemeinde Samedan eine Lockerung. Komplett abbrechen und um 30 Prozent zu erweitern, wurde möglich. Das eröffnete für den Bauherrn, Reto Giovanoli, Betriebsökonom bei Morell & Giovanoli in Samedan, und das Baubureau OG27 neue Möglichkeiten. Der Bauherr, selbst gelernter Elektroplaner, entwarf das Gerüst des Grundrisses und die Fassade. Das Architektenteam brachte eine lesbare Struktur in die Pläne.

Gutes Handwerk und naturbelassene Materialien

In alten Ställen in den Bergregionen lebte einst im Erdgeschoss das Vieh. In den oberen Geschossen lagerte das Heu zum Trocknen. Gemäss dem Wunsch des Bauherrn nach dieser Typologie wurde der Neubau entworfen. «Wir sagten uns, wenn wir schon ein Steinhaus bauen, dann gerne ein richtiges. Wir schlugen dem Bauherrn deshalb eine Valsersteinfassade vor. Sie hat eine gewisse Massigkeit und integriert sich gut als einheimischer Bündner Naturstein», erklärt Lorenzo Lazzarini. Sein Team konnte den Bauherrn auch überzeugen, anstelle von Altholz mit neuem Holz zu arbeiten. Gewählt wurde Lärche, was einer zeitgemässen Struktur und Bauweise entgegenkam. Aus Lärchenholz besteht auch die Dachkonstruktion – eine Kombination zwischen Sparrendach in der Loggia und Elementdach im Innern. Ausgerichtet ist das Haus nach Süden, der First parallel zur Strasse. Auch städtebaulich wirkt die Setzung selbstverständlich. Ein Herzstück im Innenbereich des Hauses ist die negativ geschalte Treppe in schwarz gefärbtem Beton. Sie wurde nicht vorfabriziert, sondern vor Ort geschalt und betoniert. Eine aufwendige Angelegenheit, wurde doch allein daran rund drei Wochen gearbeitet. Auch die raumhohen Eichentüren sind speziell, das geölte Eichenparkett und die Sumpfkalk-Wände wurden sorgfältig geplant und verbaut. Bauherr wie Architektenteam legten grossen Wert auf gutes und schönes Handwerk und naturbelassene Materialien.


Herzstück ist die negativ geschalte Treppe.Zahlreiche Details, wie zum Beispiel die Fensteranschlüsse aus unebenem Stein, waren für Architekt und Bauherrschaft wichtig.  Eichenparkett und Sumpfkalk für die Wände ergänzen sich perfekt.

Durchdachtes Raumkonzept

Nach dem damaligen Entscheid der Gemeinde betreffend die 30 Prozent, um welche ein Neubau erweitert werden durfte, ergab sich die Möglichkeit, die bestehende Hauptnutzfläche des Hauses zu vergrössern. Folglich wurde entschieden, im Erdgeschoss noch eine Erstwohnung einzubauen, nutzbar gemacht für Wohnen und Essen. Ebenfalls auf diesem Stockwerk sind ein Schlafzimmer und ein Bad. Letzteres ist ebenfalls mit allen Anschlüssen für eine diesbezügliche spätere Nutzung vorbereitet. Ausgekleidet sind die Räume mit Parkett. Dahinter liegen Keller, Technikraum, Spensa und eine Tiefgarage mit sechs Stellplätzen. Im Obergeschoss wurde der Ess- und Wohnbereich der Hauptwohnung platziert. Im hinteren Bereich dieses Geschosses ergab sich Platz für eine Dusche und ein weiteres Zimmer. Das grosszügige Dachgeschoss mit der Dachneigung wirkt charmant und gemütlich und gibt von der Loggia her den Blick auf die Engadiner Bergwelt frei. Das Haus wurde von der Strasse her über die Zufahrt der Tiefgarage mit einer Passerelle erschlossen. Sie dient zudem als Windfang und wurde, wie auch alle weiteren Spenglerteile, mit rostfreiem Edelstahl «Uginox» eingekleidet. Nebst Holz und Stein ist dies ein drittes Material, das für das Architektenteam in Erscheinung treten sollte.


Das Dachgeschoss wirkt charmant und gemütlich.Die Dachschrägen im Dachgeschoss wurden für Einbauschränke genutzt.Das moderne Bad erfüllt alle Wünsche der Bauherrschaft.Der grosszügig gestaltete Ess- und Wohnbereich in der Hauptwohnung im Obergeschoss.Die Loggia gibt den Blick auf die Engadiner Bergwelt frei.

Herausfordernde Bohrungen

Eine Herausforderung waren die Bohrungen der Erdwärmesonden für das Heizsystem. Sie trafen eine Arteser. «Die Bohrfirma musste mitten in der Nacht Mulden stellen und Wasser abpumpen», erzählt Lorenzo Lazzarini. Die Bohrungen wurden dann bis nach der Schneeschmelze und damit verbunden auch einem tieferen Grundwasserspiegel verschoben. Für den Fall, dass auch die Verschiebung nicht das gewünschte Resultat bringen sollte, überarbeitete das Architektenteam nochmals das ganze Heizsystem mit der Alternative eines Kamins und einer Förderanlage für Pellets. Es ging aber alles gut. Dank dem abgesetzten Grundwasserspiegel waren im Herbst 2019 die Bohrungen erfolgreich.

Nicht ganz einfach beim Bau war das Kosten-Management. Der Start lag im Jahr 2016, der Bezug erfolgte im Jahr 2020, also vier Jahre später. Es sei komplexer gewesen als ursprünglich gedacht, erklärt das Architektenteam. Viele kleine Details, die erst entwickelt werden mussten, waren wichtig und wollten perfekt umgesetzt sein. «Wir haben angefangen bei einem Umbau und dem Rückbau des alten Hauses bis auf das Kellergeschoss. Dann wurde der Neubau möglich. Am Schluss landeten wir bei einem Haus, das man wahrscheinlich als Architekt nicht oft bauen kann», ist das Team der Überzeugung. Dank veränderter Grundvoraus­setzungen konnten sämtliche Wünsche des Bauherrn um­gesetzt werden, welche sich jedoch auf den ersten Baukostenvoranschlag ausgewirkt haben. «Wir sind den Weg gemeinsam gegangen, die Zusammenarbeit hat für beide Seiten gestimmt und besteht auch weiterhin», erklärt der Architekt.


Einfamilienhaus Giovanoli, Samedan

Kennzahlen Einfamilienhaus Samedan

Baujahr: 2018 bis 2020
Fassade/Konstruktion: Zweischalenmauerwerk
Beton – aussen Valser Quarzit, 12 cm
Dach: Elementdach (Lignatur) eingedeckt mit Naturstein
Kubatur: 1187 m3
Wohnfläche: 213 m2
Stockwerke: 3
Heizung: Wärmepumpe
Architekten: Baubureau OG 27 AG, Chur