Abos!

EIN PULLOVER FÜRS HAUS.

Für ökologisch bewusste Bauherren ist das Bauen mit Naturmaterialien ein absolutes Muss. Eines dieser Materialien wächst quasi direkt auf der Alpweide in Graubünden und kehrt als Dämm- und Isolations­material in Bündner Häuser zurück – die Schafwolle.


Text: Fridolin Jakober

Bilder: Bündner Schafzuchtverband; fiwo

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Die Schafzucht war schon zur Zeit der Kelten in Graubünden
heimisch, das zeigen Wollpräparate vom Tavetscher, vom Enga­diner und vom Oberländer Schaf im Bündner Naturmuseum. Doch im 20. Jahrhundert haben Synthetikfasern auch im Gebirgskanton dem Naturmaterial den Rang abgelaufen, was dazu führte, dass noch vor wenigen Jahren in der Schweiz Jahr für Jahr etwa 700 Tonnen Schafwolle verbrannt wurden. Gleichzeitig wuchs der
Bestand an Schafen, weil dieses Nutztier in der ökologischen Landwirtschaft – etwa auf extensiv genutzten Weideflächen – wieder häufiger eingesetzt wird. Insgesamt sind die Schafhalter der Schweiz sehr viel produktiver geworden – gab es 1985 noch 14 048 Schafhalter, sind es heute noch 8354. Doch diese Landwirte halten heute 311 044 Schafe – also 40 000 mehr als 1985, was
bedeutet, dass sich die Anzahl der Schafe pro Halter nahezu
verdoppelt hat. Entsprechend hoch ist die Menge an Rohwolle, welche in der Schweiz anfällt – es sind rund 900 Tonnen jährlich, von denen inzwischen mehr als drei viertel verwertet und höchstens 20 Prozent entsorgt werden – das macht auch Sinn, denn Schafwolle ist ein wertvoller, ökologischer und natürlicher Rohstoff
mit erstaunlichen Eigenschaften. Weil Wolle zu 85 Prozent aus Luft besteht, reflektiert sie Wärme optimal und wird deshalb seit
Jahrtausenden für warme Kleidung, aber auch zur Isolation
ver­wendet. Zudem kann Wolle einen Drittel ihres Trockengewichts  an Wasser aufnehmen und die gespeicherte Feuchtigkeit langsam wieder abgeben – deshalb wird sie für Bettdecken, Kissen und Matratzen, aber auch für Flugzeugsitze und Isolationsmatten verwendet.


Im Sommer lassen sic hdie Schafe das Fell wachsen......nach der Schur kommt es zur Wollsammelstelle.

Wolle aus Graubünden

Einer der grossen Hersteller von Schweizer Isolationsmatten aus Schafwolle und der einzige Schweizer Hersteller von formstabilen Dämmplatten aus Schafwolle – die Sozialfirma fiwo im thurgauischen Amriswil – bezieht sein Rohmaterial auch in Graubünden. In acht Sammelstellen – also auf Höfen von Poschiavo bis Saas im Prättigau und von Samnaun bis Splügen – wird die Wolle der Bündner Schafe aus der Region nach der Schur angenommen und in den Thurgau geliefert. Dort wird sie zu EMPA-geprüften Dämmplatten, Akustikdämmplatten, Trittschalldämmungen, aber auch zu Stopfwolle, Einblasdämmung, Dämmzöpfen oder Balkenvlies verarbeitet. Über die Baumaterial-Lieferanten der Region kommen die fertigen Dämmmaterialien wieder nach Graubünden. Bei der Holzwerkstoffe Gfeller AG in Landquart etwa werden die Platten von fiwo vertrieben. Mit der Wolle von 4000 Schafen kann man ein Haus isolieren.

Vor allem bei Bauherren, welche grossen Wert auf Ökologie setzen, werden Platten aus Schafwolle im Zusammenhang mit wasserdampfdurchlässigen Schlämmputzen angewendet. Wichtig ist dabei vor allem, dass man sauber und mit den richtigen Dampfbremsen arbeitet, damit die Wolle ihre positiven Eigenschaften auch entfalten kann. Dann kann der Putz zusammen mit der Wolle viel Feuchtigkeit aufnehmen und so das Raumklima regulieren und positiv beeinflussen. Denn – so fanden Wissenschaftler des ECO-Umweltinstitut GmbH, Köln, in den 1990er Jahren heraus – Schafwolle baut die Schadstoffe von neu eingebauten Materialien ab. Insbesondere Formaldehyd, welches bei Bindemitteln für Holzwerkstoffe verwendet wird, reagiert mit den Schafwollfasern. Das Resultat sind stabile und unschädliche Verbindungen – das heisst, Schafwolle kann sogar zur Sanierung von Räumen verwendet werden, wo Möbel, Wände oder Decken auf Spanplattenbasis eingesetzt wurden. Da die Wolle selbst unbelastet ist, kann sie ohne Schutzkleidung verarbeitet werden.


Dämmung aus der Natur – Dämmzöpfe für Fenster- und Türabdichtungen......oder die formstabile Dämmplatte.

Dämmmaterial Wolle

Eines der Anwendungsgebiete von Schafwolle ist die Dämmung gegen den Wind bei Rundholzbauten. Hier legen die Holzbauer Schafwollzöpfe als Isolationsmaterial zwischen die Stämme – die Wollfasern sorgen dafür, dass die Fuge auch nach Jahrzehnten noch winddicht ist. Aber auch als klassisches Isolationsmaterial ist Schafwolle als nachwachsender und heimischer Rohstoff anderen ökologischen Dämmstoffen gleichwertig. Ihre Wärmeleitfähigkeit von 0,035 bis 0,045 W/(m K) entspricht etwa jener von Holz­faserdämmplatten, Zellstoffdämmung, Kokosfasermatten oder Korkplatten und kann selbst mit Mineralwolle (Steinwolle/Glaswolle) mithalten. Schafwolle ist schimmelresistent und überzeugt neben der guten Wärmedämmung vor allem mit ihrer sehr guten Feuchteregulierungsfähigkeit. Dass diese Qualität auch ihren Preis hat, versteht sich von selbst. Doch dafür leistet das eigene, neu gebaute oder sanierte Haus gleich einen Beitrag an die Bewirtschaftung von Alpen und Restflächen in Graubünden und damit an den Schutz der intakten Landschaft im Kanton.


Der «Pullover» des Hauses dämmt und nimmt Feuchtigkeit auf.Der «Pullover» des Hauses dämmt und nimmt Feuchtigkeit auf.