Abos!

STIL, STIL, STIL.

Von aussen ein Walserhaus, von innen Wohnstil pur. Für Stubenhocker und Abenteurer, Landliebende und Wanderfreaks hat Holzrausch in Sculms einen Wohntraum geschaffen, der das einfache Leben im abgelegenen Weiler auf eine neue Ebene bringt.


Text: Fridolin Jakober

Bilder: Claudio Ambühl

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Wie es dann oft geschieht, wenn man aufgibt, erhielt ich einen Newsletter von einer kleinen, feinen Bündner Immobilienverkäuferin. Warum ich in deren Adressliste gelangte, weiss ich nicht, aber als ich den Newsletter las, der ein Wal­serhaus in Safiental, ein wunderschönes Maiensäss nahe Klos­ters und schliesslich auch das herrschaftliche Steinhaus in Ausserferrera beschrieb, wusste ich, das könnte etwas für uns sein. Eine Woche später schauten wir uns das Haus zum ersten Mal an. Es befand sich mitten in der Renovations­phase, bezugsbereit sollte es Ende Juni sein. Was wir antrafen, war ein imposantes Gebäude mit schönen Sgraffiti, das aber nicht im Umbau zu sein schien. Doch als wir über die Schwelle traten, standen wir mitten in einer Baustelle. Erst ganz leicht liess sich erahnen, wie die Innenräume nach dem Umbau einmal aussehen könnten.


Die Tgea Mulegn – seit 1873 Teil von Ausserferrera.

Ohne Entscheidungsdruck von Verkäuferseite konnten wir uns dem Haus und dem Ort langsam annähern. Mehr noch, der Verkäufer drückte uns den Hausschlüssel in die Hand, als wir fragten, ob wir uns das Objekt an Ostern nochmals anschauen dürften, was wir dann auch taten. War es das Haus oder war es das nicht? Es liess mich nicht los, und so fuhr ich ein drittes Mal hin. Es war ein sonniger Tag, und als ich am Mittag um die Ecke bog, lag ein Mann im Gras und schlief. Markus, der Schreiner, liess sich nicht gross stören, wies mich freundlich, aber bestimmt darauf hin, dass seine Mittagspause bis 13 Uhr dauern würde, er mir danach aber gern für Fragen zur Verfügung stünde. Also zog ich mich zurück, setzte mich auf einen Stein am nahen Averser Rhein und liess die Landschaft auf mich wirken. Die Wiese noch dürr und karg, die Bäume ohne Blätter und die Lärchen nadelfrei. Aber die Vorstellung, wie das alles im Sommer aussehen könnte, die unverbaute Landschaft vor dem schönen alten Haus, das Rauschen des Flusses, erfüllte mich zunehmend mit Freude. Ich liess mir Zeit, als ich ins Haus ging, liess die Atmosphäre auf mich wirken, die Arvenstube mit dem grossen Ofen, die unverputzten Wände und versuchte mir aufgrund der Pläne und der Skizze der Küche vorzustellen, wie die Räume aussehen würden. Ich wanderte nach Cresta hinauf, und auf dieser Wanderung begann sie, die Liebesgeschichte mit der Tgea Mulegn.

Zum Glück zog mein Mann mit, etwas langsamer als ich, aber mit zunehmender Begeisterung fuhr er nun fast jede Woche mit mir einmal hoch nach Ausserferrera. Ob das Haus Ende Juni wirklich fertig sein würde? Wir hatten sozusagen die Katze im Sack gekauft, aber das Vertrauen in die Verkäuferschaft war da, und wir waren sicher, dass ihre Vorstellungen mit unseren übereinstimmen würden. Es war eine spannende, eine lebendige Zeit, in der wir das Werden der Innenräume im Haus miterlebten. Bei unseren wöchentlichen Besuchen lernten wir all die Schreiner, die Maler und die Malerin, die Elektriker, den Metallbauer, Restaurator, Baumeister, Ofenbauer, kurz alle Handwerker, kennen. Ich war immer wieder beeindruckt von der Arbeitsatmosphäre, dem Miteinander der Handwerker, deren Freude, Stolz und Identifikation mit ihrem Beruf.


Puristische Wohnküche – raffiniert in Szene gesetzt.Gemauerter Speicherofen mit Sgraffiti und Ausblick in die Wohnküche.

In der Zwischenzeit habe ich mich auch etwas mit der Geschichte des Hauses vertraut gemacht, und langsam kommt ein Puzzleteil zum anderen. Die Tgea Mulegn wurde 1873 als Sust gebaut. Eine Sust war ein Güterumschlagplatz mit Lagerhaus und Verwaltungsanteil, in dem Säumer ihre Waren umluden. Der Säumerpfad führte also am Haus vorbei und ist auch heute noch ein Wanderweg. Wie lange das Haus als Sust genutzt wurde, weiss ich nicht. Die Tgea Mulegn hatte wohl einige Besitzer. Anfang 70er Jahre erwarben Heinz und Liselotte Bühler aus Zürich das Haus. Nachdem ihr Mann Heinz 2010 gestorben war, lebte Liselotte dort noch zwei Jahre bis zu ihrem Tod. Sie war offenbar eine wichtige Figur im Dorf. Wen immer wir auf die Tgea Mulegn ansprechen, nennt den Namen Liselotte, und das Haus wird nur das «Bühler-Haus» genannt. Damit wird auch schon deutlich, dass alle Nachbarn offen und herzlich sind und wir uns schon vor dem Einzug willkommen fühlten.

Nun sind wir in unser neues Ferienhaus eingezogen. Und die Innenräume, sie sind umwerfend geworden. Obwohl die Küche etwas dunkel ist, hatte man keine Angst, eine schwarze Kochinsel einzubauen, modern und kompromisslos passt sie exakt zu den alten Riemenböden und den teilweise unverputzten Wänden. Und die Beleuchtung ist so optimal, dass es wie Tageslicht wirkt. Die Geschichte des Hauses ist präsent geblieben, Holzböden, die schon vor hundert Jahren da waren, über die unzählige Menschen gelaufen sind. Die Fenster- und Türstürze, deren Balken freigelegt wurden, die alten Holztüren, die Wände, deren Steine die Geschichten des Hauses bewahren, und die Arvenstube mit dem Holzofen, der schon jetzt freudige Erwartung auf den Winter weckt. Auch die neue Holztreppe ist ein Wurf, breiter als erwartet und passend zur Grosszügigkeit des Hauses.


Licht-/Schattenspiel im Treppenhaus.Ausblick auf den Sitzplatz mit einem toskanischen Erinnerungsstück.

Es ist ein einladendes Haus, mit einer warmen Atmosphäre, in dem wir hoffentlich viele Gäste empfangen und bewirten können. Entsprechend dem Sgraffito am Haus:


«Bagnvagnieuf an quella tgea» – Willkommen in diesem Haus.
 
Und auf dem Steinofen:
«Sper la pegna tgold!
Stet Amitgs
Da buna
A buna luna.»
 
«Neben dem warmen Ofen sitzend,
mit guten Freunden,
macht eine gute Laune.»


Ursprüngliche Bündner Fichtentruhe im «Turmzimmer».Schlichte Keramik auf Antikholzwaschtisch, Wände und Boden: Naturofloor.