Abos!

STIL, STIL, STIL.

Von aussen ein Walserhaus, von innen Wohnstil pur. Für Stubenhocker und Abenteurer, Landliebende und Wanderfreaks hat Holzrausch in Sculms einen Wohntraum geschaffen, der das einfache Leben im abgelegenen Weiler auf eine neue Ebene bringt.


Text: Fridolin Jakober

Bilder: Claudio Ambühl

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Wir sitzen uns im Büro in Masein gegenüber, auf dem Tisch zwischen uns steht seine Skulptur «Mann, Frau hinterherschauend». Vor dem Fenster fallen ein paar letzte Schneeflocken, auf den Figuren ein bronzener Schimmer. Rini – also eigentlich Rinaldo Collenberg – ist 41-jährig, verheiratet, gelernter technischer Modellbauer. Nach der Lehre in der Giesserei Chur wechselte er in die Dienstleistungsbranche, denn wegen eines Herzfehlers konnte er den erlernten Beruf nicht mehr ausüben – zu viel Staub, zu streng, zu laut. Dann kehrte er auch der Dienstleistungsbranche den Rücken. Vor elf Jahren – 2011 – begann seine künstlerische Laufbahn. Rini mietete eine Garage, einen Raum, wo er an Modellschiffen herumschraubte, bastelte, malte. Auch bildhauerisch versuchte er sich.

Plastisch gestalten

Seine erste Figur meisselte er aus fünf Ytong-Steinen, die er mit Mörtel zusammengemauert hatte. «So entstand das. Das Malen steckte ich später zurück, das war mir zu ruhig, ich brauchte mehr: modellieren, formen, sägen, schleifen, so ein bisschen Bewegung halt, so ergab sich das.» Aus seinem erlernten Beruf kennt Collenberg mittlerweile eine Reihe von Materialien und auch, wie sie am besten zu bearbeiten sind: Beton, Metall, Holz. Vorbilder hat er keine. «Ich gehe nicht ins Kunstmuseum. Ich machte mal einen Malkurs, da lernt man die Technik. Aber noch länger dauert es, bis man das wieder wegbekommt, denn in jedem Kurs ist auch immer ein Touch des Lehrers drin.» Zu seiner vielfältigen Motivpalette gehören Tänzerinnen, Seiltänzer, Leser, Artisten, Kraftmenschen, Golfer, aber auch Don Quichotte auf seiner Rosinante oder ein Wildschwein.

Wie er diese Motive findet? «Für mich steht das Herstellen im Vordergrund, das Experimentieren, ich studiere nicht gross, wenn ich was mache. Ich sehe eine Sequenz und sage mir: Komm, das machen wir mal. Meist gehe ich nicht vertieft in eine Figur hinein, ich frage gleich nach ihrer Realisierbarkeit. Wie bekomme ich die Stabilität? Wie will ich das formen? Man soll gleich sehen, dass die Figuren glücklich sind. Das zu vermitteln, ist mein Ziel.» Bei «Don Quichotte» kam ein Kunde ins Büro, legte ihm ein selbst nachgezeichnetes Bild hin mit dem Auftrag: «Mach mir das!» – «Ich nahm die Herausforderung an. Schaute, wie ich es machen muss, damit es statisch funktioniert. Die Figur sollte wetterfest sein, das war die Herausforderung.» Die Kunden kommen zu ihm und sagen: «Ich brauche ein Geschenk.» Oder die Familie hat einen Hund und hätte gerne eine Hundeskulptur. «Für mich ist das Schaffen der Skulptur die Arbeit, statt einer grossen Geschichte dahinter.»


Inspirationsquellen

Das Leben selber ist ihm Inspirationsquelle: «Letzte Woche war ich im Zirkus Knie. Kaum hatte sich der Vorhang geöffnet, schon sah ich hundert Motive. Die Tänzerinnen, die Akrobaten auf der Wippe – auch der Vorhang selbst. Es muss für mich dynamisch sein, wenn ich beginne, das zu formen.» Collenberg betrachtet das Werk auf dem Tisch: «Heute würde ich die Waden stärker betonen und den Hals anders gestalten.»


Aufträge umsetzen

Im Material selbst stecken die Herausforderungen. Seine Leidenschaft ist die Realisierung im Handwerklichen, das Schweissen, das Formen. «Deshalb hab ichs ganz gerne, wenn jemand kommt und mir eine Idee für eine Skulptur unterbreitet. Daraus mache ich etwas und wenn ihm das fertige Werk gefällt, nimmt ers. Sonst bleibt es halt im Büro.» Für die Figur vor uns hat Collenberg erst ein Gerüst aus Metall aufgeschweisst, danach hat er die Figuren darum aufmodelliert und die schwarze Masse schliesslich mit Acrylfarben angemalt. «Ich arbeite die richtige Tönung heraus, mit Pigmenten, bis sie für mich stimmt. Die modellierte Masse selbst ist bloss schwarz, damit kann ich nichts anfangen.» Aber es gibt eine ganze Palette von Farben. Damit streicht er seine Plastiken an, so wie ihn der Moment inspiriert: «Ich gehe da nicht zu sehr in die Tiefe.»


Kraft, Plastik aus Beton/HolzKraft, Plastik aus Beton/Holz

Experimente

«Jetzt habe ich gerade einen Auftrag für drei grosse Figuren, die rostig gewünscht sind. Die Figuren modelliere ich aus Beton. Aber ich habe derzeit noch keine blasse Ahnung, wie ich den Rost machen soll. Metallspäne in den Beton arbeiten? Das würde den Beton sprengen, wenn die Figuren draussen stehen. Hier bin ich Laie, der Schritt für Schritt dazulernt, durch den Weg, den ich gehe, mache ich mir die Selbstausbildung.» Natürlich gebe es, so Collenberg, mehrere Arten, um Figuren «rostig» aussehen zu lassen. Metallische Anstriche zum Beispiel. «Jetzt gerade würde es mich reizen, die Farben des Rostes mit dem Pinsel zu mischen. Das ist die Herausforderung. Da studiere ich – manchmal nachts – zwei Stunden im Bett darüber nach.» So wie andere eine Aufgabe lösen. Eine Reihe von Collenbergs Plastiken stellt Leser/-innen dar. Hat er eine besondere Liebe zum Buch? Nein! «Ich habe einfach aus einem Impuls heraus damit angefangen. Ich sagte mir: Komm, jetzt tun wir dem mal ein Buch in die Hände!» Dass es inzwischen mehrere «Leser» gibt, hat damit zu tun, dass ein weiterer Käufer oder Auftraggeber kam, dem das Motiv gefiel. «Ich frage dann: Wohin willst du die Figur stellen? Sagt er draussen, dann kommt die Wetterfrage.» Oder hat der Kunde selber einen Stein, auf den er die Figur stellen will? Eine andere Reihe sind die Kletterfiguren. «Ich weiss selber nicht mehr, wie viele davon schon weggegangen sind. Manche hängen sie in der Dusche auf, auf der Glaswand.»


AkrobatikFreude, Plastik aus KunststoffElegante, Plastik aus Kunststoff

Mit Leben erfüllt

Einen, den Rini bewundert, ist sein Bruder Franco Collenberg, der als Profi in den Hockeymannschaften von Davos, Fribourg oder Bern spielte. Ihn fasziniert die Kraft in diesem Sport. «Beweglich sein, fröhlich sein, das ist es doch, was man im Leben anstrebt», sagt Rini und wird – mit Blick auf die eigene Gesundheit – nachdenklich: «Es kann sein, dass ich da auch was kompensiere.» Aufgrund seines Herzfehlers riet sein Arzt ihm zum Golfsport, als Junior in Bad Ragaz. «Ich wurde komisch angeschaut, weil ich oft im Trainingsanzug ins Golftraining kam. Aber ich kenne ein paar Golfer und habe selber Golf gespielt.» Zu seinen Plastiken von Golfern sagt er: «Einer steht, einer schlägt, einer ist am Putten.» Und das plastische Arbeiten, ist das nicht anstrengend? «Für mich ist das Modellieren nicht streng, streng ist der Weg, bis die Figur im Kopf da ist, wie ich sie will. Die handwerkliche Umsetzung ist nicht streng. Es kommen viele Dinge zusammen, dann macht es plötzlich ‹klick›. Das ist wie ein Feuer, da möchte ich mitten in der Nacht in die Bude, aber mein Körperhaushalt muss stimmen. Oft gibt das einen Riesenflash. Ich denke: O ja, das könnte ich so machen. Dann beginnt es zu kribbeln, ich schlafe nicht, es ist wirklich extrem. Es läuft viel im Kopf ab . . .» Heute arbeitet Rini Collenberg in einer Glaserei für seinen Patron, so wie ein Albrecht Dürer einst für Kaiser Maximilian oder Diego Velázquez für König Philipp IV. arbeiteten. «Für mich ist das Glück, dass ich in diese Situation kam. Ich hatte eine wunderschöne Zeit in der Lehre. Wir hatten in der Giesserei alle Maschinen zum Bearbeiten. Heute ist es ähnlich, einfach mit einer anderen Art. Wir sind ein gutes Team, dort arbeiten Glaser. Der Chef sagt bei einem Glastisch: Kannst du mir da die Figur draufstellen? Die Materialen dazu kann ich einfach einkaufen, das überlässt er mir.» Inzwischen ist Collenberg glücklich verheiratet, seine Frau, ebenfalls aus Untervaz, hat auch einen Herzfehler. «Ich lebe einfach, ich bin angekommen. Privates und der Job fliessen ineinander, ich kann sie kombinieren. Früher lebte ich fürs Wochenende. Jetzt freue ich mich, bis es Montag ist – so dass ich an meine Dinge rankann, es ist dann auch der reine Ausdruck meiner Gefühle. Für mich muss die Figur dynamisch sein. Ich kann anhand der Figuren sagen, ob es ein guter oder ein schlechter Tag war.» Es sei denn, Collenberg arbeitet an einem grösseren Projekt: «Da gibt es Tage, wo ich nicht drangehe, wo ich mir sage: Das bringt nichts . . .» An solchen Tagen macht er Arbeiten als Sachbearbeiter, also Offerten oder Rechnungen schreiben zum Beispiel.


Seiltänzer

Ins Ausland nach Trimmis

Mit seinem Dorf Untervaz ist Collenberg auf vielfältige Weise verbunden. Dort ist er aufgewachsen, dort ist er in der Guggenmusik, dort gibt es den Theaterverein, wo er der Chef für Licht, Ton und Bühnenbau und seine Frau für die Requisiten verantwortlich ist. «Das macht Spass. Man sagt sich du in Untervaz, alles ist nahe, das ist schön, das ist heimelig. Bis ich dreissig Jahre alt war, lebte ich bei meinen Eltern.» Um sich abzunabeln, zog er nach Trimmis. «Das war für mich etwas ganz anderes, es ist anonymer dort. Mir fehlte das Nahe, das Heimelige. Nach einem Jahr kam ich zurück nach Vaz – es ergab sich eine Wohnung dort. Einmal Vaz, immer Vaz!»


Angekommen


An seiner Don-Quichotte-Skulptur fährt Collenberg manchmal vorbei. «Ich weiss, wo er steht, dann schaue ich, ob der noch dort ist. Für mich ist wichtig, dass die Leute Freude an den Figuren haben. Ich sage ihnen jeweils: ich mach dir gerne was, wenn es dir nicht passt, sag es, es muss für den stimmen, ders kauft.» Das ist auch so mit dem Labrador, den er für eine Familie machen soll. «Ich wollte erst einen sitzenden Hund, damit die Säule nicht zu gross wird. Jetzt war ich bei einem Blinden, der sagte mir, Labradore sitzen gar nicht so oft, also werde ich einen gestalten, der in Bewegung ist. Deshalb denke ich jetzt über den Weg nach – mach ichs mit Styropor? Mache ich ein Skelett, das ich ausfüllen will?» Seinen Beruf als angestellter Künstler hat Rini sich selbst aufgebaut, den Weg dorthin ist er selber gegangen.


Rini Collenberg