Abos!

DES EIGENEN ?GLÜCKES SCHMIED.

Früher fand man ihn in fast jeder Gemeinde, ?den Dorfschmied, heute sucht man vergebens ?ganze Talschaften ab. Pferde werden zum ?Arbeiten nicht mehr gebraucht und Werkzeug ist ?ab industrieller Fertigung billiger zu haben. ?Und doch gibt es noch ein paar wenige. Einer, ?der die Ehre des Kunstschmiedens hochhält, ?ist Gian Stoffel aus Sils im Domleschg.

Text: Marietta Kobald     

Bilder: Alice Das Neves, Mathias Kunfermann

Zurück zur Übersicht

So stellt man sich einen richtigen Schmied vor. Gross und mächtig gebaut, rotblonde, zerzauste Haare über grünblauen Augen und ein kräftiger Händedruck zur Begrüssung. Das Einzige, was fehlt, sind grauschwarze Ablagerungen um Nasenflügel und Augenbrauen, herstammend von der Arbeit mit Feuer und Eisen.

Schlichten, bündeln, zwirbeln, tordieren

«Nein, heute schmiede ich kein Eisen», gibt Stoffel mit Blick auf die dunkle, kalte Esse Auskunft, während draussen vor der Werkstatt die schäumenden Wasser der kühlen Albula vorbeirauschen. Er und seine Hilfskraft widmen sich gerade dem Bau eines neuen Unterstandes aus fünf Meter langen Stahlträgern. Gesagt ist damit auch, dass die Arbeit sehr vielseitig ist. Von der drei Zentimeter langen Feder für ein nach antikem Vorbild nachgebautes Türschloss über harmonisch schwungvolle Balkongeländer, massive Eingangstore bis zum schärfsten Messer entsteht in der Schmiede von Gian Stoffel alles, was aus Stahl und Eisen ist.


Ebenso vielseitig wie die hier produzierten Schmiedearbeiten sind die Bezeichnungen für die Tätigkeiten dazu. Hier wird gewärmt, ausgeschmiedet, geschnitten, gehämmert, geschlichtet, gebogen, gelocht, gebündelt, tordiert, gezwirbelt, abgesetzt, geschlitzt, gebürstet, gespitzt und poliert. Metallbauer Fachrichtung Wärmeverformung lautet die heutige Bezeichnung für diesen Beruf. Es ist anzunehmen, dass kaum ein Kunstschmied diese Aneinanderreihung von Wörtern für sich beansprucht. So auch Stoffel nicht. Vielmehr zieht er mit leisem Stolz ein Messer aus einer selbstgenähten Lederscheide. Eine Stahlklinge, blankpoliert, begrenzt von einer Parierstange aus Messing mit dunklem Palisandergriff, wunderschön. «1,7-Millionen-fach gefaltet», erklärt Stoffel sein Prachtexemplar an Schmiedekunst aus Damaszenerstahl. Mindestens drei Tage Arbeit liegen in diesem exklusiven Schneidewerkzeug, das, so Stoffel, ihn im letzten Herbst bereits auf seiner ersten Jagdsaison zusammen mit seinen Brüdern begleitet hat.


Die Ambossfaust wird für das Bombieren und zum Schlichten gebraucht.«Hämmer Hämmer? – Hämmer hämmer!», aber welcher ist der richtige?

Der Bauernsohn ist zusammen mit sechs Geschwistern im Avers aufgewachsen und obwohl heute in Scharans zu Hause, ist die Beziehung zur Familie eng geblieben. Das mag auch daran liegen, dass sich Stoffel seiner kunsthandwerklichen Stärken bewusst ist und seine Schwächen, den Bürokram und die Arbeit am Computer, gerne an seine Mutter auslagert.


Atome neu anordnen

Während er mit knappen Worten von seinem Werdegang erzählt, liegt Juri, sein schwarzer, kroatischer Schäferhund fast unsichtbar auf dem kühlen und russigen Werkstattboden und schläft. Begonnen hat es mit seinem Pferd, das er zum frisch Beschlagen nach Thusis zum Hufschmied brachte. Nach einer einzigen Schnupperlehre bei ebendiesem Hufschmied, Gaudenz Michael, blieb er und absolvierte ab 1995 die Schmiedelehre. Mit jungen 21 Jahren übernahm er von seinem inzwischen pensionierten Ausbildner die Werkstatt samt Kundenstamm. Nach einem Jahr in Thusis zügelte er im Jahr 2001 nach Sils im Domleschg ins Gewerbezentrum Albula, auch bekannt unter der alten Bezeichnung Wolldeckenfabrik.

Der Beruf des Kunstschmieds erfordert mehr als nur Feuermachen und Schmieden. Grosses räumliches Vorstellungsvermögen, zeichnerische Fähigkeiten für Entwürfe auf Papier, chemische und physikalische Kenntnisse vom Material und dessen Reaktionen beim Bearbeiten mit Feuer und Wasser sind Grundvoraussetzungen. Stoffel redet von «Atome neu verteilen beim Bearbeiten», erklärt, dass Verbindungen nach Möglichkeit geschmiedet werden und wenn geschweisst werden sollte, die Übergänge sauber verputzt sein müssen. «Harmonisch, schlicht und schön soll das Produkt sein.» In all diesen Aussagen spiegelt sich eine hochgehaltene Berufsehre wieder.


Die wohl höchste Kunst des Schmiedens: Messer aus Damaszenerstahl. Unter Jägern und Sammlern gefragte Objekte.

Heute ist Stoffel ein gefragter Mann für historisch nachgebildete Kirchentürschlösser, Burgtore aus handgeschmiedetem Eisen, kunstvolle Fenstergitter für Schlösser, aber auch etwas exklusivere Garagentore und Balkongeländer für Einfamilienhäuser. Für seine kunstvollen Arbeiten erhielt der junge Schmied zudem im Jahr 2013 den Bündner Kunsthandwerkerpreis.

Zum Zeitpunkt der Drucklegung war in Graubünden Schonzeit, doch schon bald ist September und Jagdzeit. Hoffen wir, dass Stoffel sein mit Leichtigkeit durch Knochen dringendes Damaszener-Jagdmesser dann wieder gebrauchen kann!


Schmieden, solange das Eisen glühend ist. Gian Stoffel bei der Arbeit in seiner Schmiedewerkstatt in der Albula.

Metallbauer Fachrichtung Schmiedearbeiten

Metallbauer der Fachrichtung Schmiedearbeiten spezialisieren sich auf Schmiede- und Warmbehandlungstechniken von Stahl – bei Kunstschmiedearbeiten oder Reparaturen. Sie arbeiten mit Hammer und Amboss, aber auch mit den Verarbeitungstechniken des Metall- oder Stahlbaus. Das glühende Schmiedeeisen aus der Esse wird von Hand oder mit dem Dampfhammer geschmiedet.

Gelernt wird in einem Betrieb des Schmiedehandwerks – meist ein Kleinstunternehmen. Die Lehre dauert vier Jahre, die Lernenden besuchen zehn Wochen lang überbetriebliche Kurse. Zwei Wochen sind den Techniken des Warmverformens von Eisen gewidmet. Am Ende der Lehre findet die Prüfung zur Metall­bauerin oder zum Metallbauer EFZ mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis statt.   

Begleitend zur Lehre oder danach kann die Berufsmatu­ritätsschule besucht werden. In einer verkürzten Lehrzeit von zwei Jahren kann nach der Grundbildung Metallbauer zusätzlich die Grundbildung als Metallbaukonstrukteur abgeschlossen werden. Die Metall-, Stahl-, Fenster- und Fassadenbaubranche bietet zudem eine Palette an Weiterbildungen.

Weitere Informationen
Schweizerische Metall-Union, www.smu.ch