So stellt man sich einen richtigen Schmied vor. Gross und mächtig gebaut, rotblonde, zerzauste Haare über grünblauen Augen und ein kräftiger Händedruck zur Begrüssung. Das Einzige, was fehlt, sind grauschwarze Ablagerungen um Nasenflügel und Augenbrauen, herstammend von der Arbeit mit Feuer und Eisen.
Schlichten, bündeln, zwirbeln, tordieren
«Nein, heute schmiede ich kein Eisen», gibt Stoffel mit Blick auf die dunkle, kalte Esse Auskunft, während draussen vor der Werkstatt die schäumenden Wasser der kühlen Albula vorbeirauschen. Er und seine Hilfskraft widmen sich gerade dem Bau eines neuen Unterstandes aus fünf Meter langen Stahlträgern. Gesagt ist damit auch, dass die Arbeit sehr vielseitig ist. Von der drei Zentimeter langen Feder für ein nach antikem Vorbild nachgebautes Türschloss über harmonisch schwungvolle Balkongeländer, massive Eingangstore bis zum schärfsten Messer entsteht in der Schmiede von Gian Stoffel alles, was aus Stahl und Eisen ist.
Ebenso vielseitig wie die hier produzierten Schmiedearbeiten sind die Bezeichnungen für die Tätigkeiten dazu. Hier wird gewärmt, ausgeschmiedet, geschnitten, gehämmert, geschlichtet, gebogen, gelocht, gebündelt, tordiert, gezwirbelt, abgesetzt, geschlitzt, gebürstet, gespitzt und poliert. Metallbauer Fachrichtung Wärmeverformung lautet die heutige Bezeichnung für diesen Beruf. Es ist anzunehmen, dass kaum ein Kunstschmied diese Aneinanderreihung von Wörtern für sich beansprucht. So auch Stoffel nicht. Vielmehr zieht er mit leisem Stolz ein Messer aus einer selbstgenähten Lederscheide. Eine Stahlklinge, blankpoliert, begrenzt von einer Parierstange aus Messing mit dunklem Palisandergriff, wunderschön. «1,7-Millionen-fach gefaltet», erklärt Stoffel sein Prachtexemplar an Schmiedekunst aus Damaszenerstahl. Mindestens drei Tage Arbeit liegen in diesem exklusiven Schneidewerkzeug, das, so Stoffel, ihn im letzten Herbst bereits auf seiner ersten Jagdsaison zusammen mit seinen Brüdern begleitet hat.