Abos!

DAS KERNGESCHÄFT ZEIGEN.

Robin und Inessa Jörimann sind Geschwister. Robin Jörimann ist Geschäftsführer der Jörimann Stahl AG, Inessa Robbi-Jörimann ist Geschäftsleiterin der Signalplus, eines Profitcenters derselben Firma. Zusammen bauen sie jetzt ein Doppeleinfamilienhaus in Bonaduz – aus Stahl.


Text: Fridolin Jakober

Bilder: Claudio Ambühl

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Inzwischen ist die Jörimann Stahl AG einer der grössten Stahlverarbeiter der Schweiz, sie wird seit Generationen von der Inhaberfamilie geführt und realisiert auch anspruchsvolle Stahlarbeiten und Grossprojekte. Doch für einmal waren die Spezialisten des Unternehmens im Einsatz für ein kleineres Projekt, für den Bau eines Doppeleinfamilienhauses mitten in einem schnell wachsenden Quartier von Bonaduz. Dort sind die Häuser für gewöhnlich aus Beton oder verputztem Ziegelmauerwerk, auch Holzhäuser stehen dort, aber Stahlbauten? Die sind doch normalerweise den Industriezonen vorbehalten.

Das hat seine Gründe, denn die Betontradition ist an den Schweizer Hochschulen nach wie vor sehr präsent, der Holzbau hat ebenfalls eine lange Tradition und feiert derzeit eine echte Renaissance. Die Tradition des Stahlbaus im Wohnungsbau dagegen ist etwas verschüttet. Dabei gibt es eine Schweizer Tradition in diesem Bereich: Es sind die Vertreter der «Solothurner Schule», die in den Jahren zwischen 1950 und 1980 Stahl in die Wohnräume brachten. Ihr heute wohl bekanntester Vertreter ist Architekt Fritz Haller. Das ist der, der die USM-Möbel entwickelt hat.


Unbeirrt

Stahl hat – architektonisch gesehen – einige Vorteile. Stahlbauwerke wirken transparent, elegant und präzise. Die Grenze zwischen Innen- und Aussenraum kann damit aufgehoben werden. «Mich faszinieren die Offenheit und der sichtbare Stahl», sagt Inessa Robbi-Jörimann. «Wenn wir im Freundeskreis erzählten, dass wir ein Stahlhaus bauen, reagierten viele zuerst etwas verwundert.» Doch davon liessen sich weder Inessa noch Robin beirren, ganz im Gegenteil: Für sie war klar, dass ihr Haus dereinst aus Stahl sein sollte, und so kontaktierten sie Michael Schumacher vom bekannten Architekturbüro Ritter Schumacher in Chur. Dort zeigte man sich interessiert, einen neuen Stahlbau-Akzent im Wohnungsbau zu setzen, und übertrug die Aufgabe einer schwedischen Architektin. Doch auch bei der Architektin mussten die Jörimanns ihre ursprüngliche Idee vom Stahl-Wohnhaus manchmal mit Überzeugungskraft durchsetzen: «Wir wollten das Haus möglichst ohne Holz, während in der schwedischen Tradition Holz im Wohnbereich fast immer dominiert.» So sind zwar die Böden in den Schlafzimmern aus Eichenparkett, aber im Wohnbereich von Inessa Robbi-Jörimanns Doppeleinfamilienhaushälfte gibt es nur einen einzigen Holzakzent, es ist das massive Walnussholzbrett der Bar in der Küche. «Stahl hat mich schon immer fasziniert. Deshalb fragten wir das Architekturbüro: Könnt ihr uns ein Wohnhaus ganz aus Stahl, Glas und Beton bauen? Der Grundriss und die Einteilung unserer beiden Haushälften ist zwar identisch, aber die Ausstattung ist anders.» Während bei Inessa Robbi-Jörimann Schwarz und Anthrazit vorherrschen, hat sich Robin Jörimann hell eingerichtet. Doch wie ist es, mit dem Bruder zusammen zu bauen? Inessa Robbi-­Jörimann lacht: «Als unsere Eltern in Igis ausgezogen sind, hatten wir dort eine WG zusammen, zudem sehen wir uns sowieso täglich.» In Inessa Robbi-Jörimanns Fall ist es auch nicht der erste Stahlbau, in den sie einzieht. Sie führt – als Hobby – zusammen mit ihrer Mutter eine Pferdepension samt Loft, diese wurden aus Stahl erbaut.


Was immer man mit Stahl bauen konnte, das wurde in Stahl realisiert: Küche, Cheminée, Wohnzimmer.Schrauben und Muttern blieben in feuerverzinktem Grau.Betontreppe mit Staketengeländer ins UG.

Die Details

Robin Jörimann weist auf die Details am Bau hin: Den geschliffenen Unterlagsboden im Wohnbereich, das Staketengeländer, durch das man von der Treppe in die Räume sieht. Was immer man mit Stahl bauen konnte, das wurde auch in Stahl realisiert, die Wangen der Treppen, die Geländer, das Cheminée. Am markantesten natürlich die Stahlträger im Wohnzimmer und in der Küche. Im Aussenbereich – etwa unter den Balkonen – sind die Träger pulverbeschichtet, im Innenbereich dagegen ist der Stahl geölt. So kann die dunkle Walzhaut auf dem Stahl die Struktur des Materials zeigen. «Wir wollten aber möglichst standardmässige Profile verwenden, wir wollten nichts bautechnisch verschönern, sondern möglichst einfachen Stahlbau.» Das ging so weit, dass auch die Schrauben und Muttern, mit denen die Profile am Boden und an der Decke befestigt sind, in feuerverzinktem Grau blieben und nicht etwa in der Farbe der Träger bemalt wurden. Einige bautechnische Kompromisse gingen sie dennoch ein. So führen die querliegenden Träger zwar durch die ganze Haushälfte von draussen nach drinnen und wieder nach draussen, doch bei den Aussenwänden sind sie mit tragenden wärmedämmenden Elementen verbunden, so dass dort keine Wärmebrücken entstehen. Hinter den Stahlprofilen geben bodenbündige Glasfenster den Blick über die Getreidefelder Richtung Rhäzüns und auf die romanische Kirche Sogn Gieri frei. Die Küche ist offen, der Wohnbereich ebenfalls. Er ist um zwei Tritte abgesenkt. Das schwarze Cheminée, gebaut von Egon Maissen, setzt hier den Akzent, die Farben im gesamten Hausbereich sind ausschliesslich Schwarz, Grau oder Weiss, eine Sichtbetonwand – an der schon bald der Flachbildfernseher xx-large installiert wird – trennt den Wohnbereich vom Wellness­bereich.


Grenzenlos

«Stahl kennt keine Grenzen», sagt Robin Jörimann. «Man kann alles bearbeiten, wie man will.» Allerdings braucht es in einer solch puristischen Umgebung perfekte Verarbeitung der Materialien. Das gilt für den Beton, den man überall sehen kann, wie auch für den Stahl, und dort insbesondere für die Schweissnähte. Als Puffer zwischen den beiden Wohnbereichen liegt der Wellnessbereich mit Dampfbad, der von beiden Seiten zugänglich ist. Hinter einer Sichtbetonwand liegt im Erdgeschoss das Schwimmbad. Es läuft nach draussen bis unters Vordach, so dass man im Freien baden kann. Möglich macht das ein U-förmiges versenkbares Fenster, konstruiert von den Ingenieuren der Jörimann Stahl AG. Es ist sechs Meter breit und geht zu beiden Seiten je drei Meter nach hinten. «Wir haben das Engineering selbst gemacht. Am Anfang gab es Turbulenzen, aber schliesslich haben wir es realisiert. Die ganze Konstruktion wiegt acht Tonnen.» Dafür lässt sich das Haus mit diesem «Erker» schliessen und öffnen.


Stahlbauwerke wirken transparent, elegant und präzise - auch hier im Schlafbereich.Stahlbauwerke wirken transparent, elegant und präzise – auch hier im Schlafbereich.Stahlbauwerke wirken transparent, elegant und präzise – auch hier im Schlafbereich.Stahlbauwerke wirken transparent, elegant und präzise – auch hier im Schlafbereich.

Offenheit leben

«Wir haben in unserem Unternehmen eine offene Kommunikationskultur, das soll sich auch in unserem Wohnhaus widerspiegeln. Einerseits können wir damit die Offenheit gegenüber dem Stahlbau fördern und zeigen, dass Stahl auch im Wohnbereich gut aussehen kann. Anderseits zeigen wir damit, was wir können.» Doch wie ist es mit den ökologischen Werten? Stahl kann immer wieder rezykliert werden, damit sichert er sich schon mal Pluspunkte. Er ist im Vergleich zu Beton auch leicht, das heisst, er kann einfacher und mit weniger Energie transportiert werden. Ein Jahr lang wurde das Haus der Jörimanns geplant, danach wurde zwei Jahre lang daran gebaut. Die Materialien sind alle wiederverwendbar. Das Haus ist dank guter Isolation, einer Luft-Wärmepumpe und einer grossen PV-Anlage auch autark, ja sogar ein Positiv-Haus. Denn von der von ihm produzierten Energie verbraucht es gerade mal 30 Prozent, 70 Prozent fliessen zurück ins Netz. Inessa Robbi-Jörimann erwartet bereits ihre Möbellieferung und auch wenn – wie wohl bei jedem Bauprojekt – manches langsamer und mühsamer war als zu Beginn erwartet, kann sie es jetzt nicht mehr erwarten, endlich mit ihrem Mann einzuziehen. «Obwohl wir bald zwei Jahre am Bauen sind, würde ich alles nochmals genau gleich auswählen. Mich erfüllt eine grosse Freude – über die Materialien und über das gesamte Farbkonzept.»


Der Wellnessbereich mit Sauna und Schwimmbad ist von beiden Seiten zugänglich.