Hauptakzent ist die Erhaltung
Heute werden diese wertvollen Stücke – wenn sie denn erhalten sind – aufwändig restauriert. «Restaurierungsarbeiten gehören in die Hände ausgebildeter Restauratoren», sagt Max Rüedi. «Ein originales Exponat sollte mit dem gebührenden Respekt als historisches Zeitzeugnis möglichst erhalten werden. Die Pflege beschränkt sich auf den vorgegebenen Zustand. Gewaschene Möbel werden durch Waschen weitergepflegt. Mit Schelllack gestaltete Oberflächen werden mit Mikrofasertuch, Pinsel und eventuell silikonfreier Möbelpolitur erhalten.»
Die Restauratoren arbeiten nach den Prinzipien der modernen Restaurierung. Dazu gehört eine sorgfältige Bestandesaufnahme, auch mit Dendroproben. Die Originalsubstanz muss, so weit wie möglich, erhalten bleiben, Eingriffe werden aufs Minimum reduziert und müssen reversibel sein. Gleichzeitig wird grosser Wert auf die Lesbarkeit des Werks gelegt. Alle Schritte, die ein Restaurator an einem Werk setzt, müssen ablesbar sein, ist in früherer Zeit etwas verloren gegangen, wird dies nicht kaschiert, sondern nüchtern dokumentiert, so dass sich ein klares Bild des Zustandes ergibt.
Wohnen im Spannungsfeld von alt und neu
Wohl kaum eine Region ist so reich an stilistischen Einflüssen auf seine Volkskunst wie Graubünden. In Nord- und Mittelbünden prägten süddeutsche, österreichische und Walser Einflüsse die Produktion der Bauernmöbel, im Bergell und Puschlav überwiegen Einflüsse aus Italien, das Engadin entwickelte eine ganz eigene Sprache beim Möbeldesign, wie Urs Ettlin und Wilma Suter-Faustinelli dies in ihrem Bildband «Das Mobiliar im Engadiner Haus» aufzeigen.
Immer mehr werden solche Bauernmöbel und Arbeiten der Volkskunst heute in modernem Ambiente – seien es Loftwohnungen, seien es modern ausgebaute Chalets oder Häuser – inszeniert. Und viele Kundinnen und Kunden zeigen dabei eine tiefe Sehnsucht nach Verbundenheit mit dem Bauernmöbel. Sie sehen im warmen Holz einen wohltuenden Kontrast, der sich abhebt vom strengen Design der Gegenwart. Das Bauernmöbel bekommt bei ihnen den Stellenwert eines eigenständigen Kunstwerkes, manche setzen sich davor und meditieren, als sei es ein Schrein. Bei solchen Bauernmöbeln ist es gerade ihre Patina, die zusammen mit der ablesbaren Werksgeschichte eine Spannung zu modernem Glas und Beton schafft. Wo einst der heisse Topf Brandmale hinterliess, wo beim Kartenspiel oder bei Verhandlungen Notizen ins Holz geritzt wurden, wo durch den Schwund der breiten Bretter Spalten entstanden, zeigt das Gebrauchsmöbel sein Leben – und hier bekommt es, zusammen mit dem Formwillen des Bauern, seinen Rang als Kunstwerk. «Mit seiner Patina kann es», so Max Rüedi, «als Teil des Lifestyles an der Peripherie zum ruhenden Pol zwischen Vergangenheit und hektischer Gegenwart werden.»