Abos!

NACH RUDOLF OLGIATI WEITERSCHREIBEN.

Den Charme freilegen. Zimmer für Zimmer. Nach Lösungen suchen, die praktisch sind, die begeistern. Stein für Stein und Balken für Balken. Sinnlichkeit erzeugen, alpine Authentizität und Wohnlichkeit. So wie Holzrausch bei jedem Objekt vorgeht, so hat das Unternehmen jetzt in Masein die Geschichte eines historischen Hauses weitergeschrieben und sich damit sein Bürogebäude mit dem Geist des Ortes geschaffen.


Text: Fridolin Jakober

Bilder: Alice Das Neves

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«Haus E. Lauener in Masein» steht auf dem Grundriss. «Massstab 1/100, Datum 4. 1. 91» und als Adresse: «R. Olgiati, Dipl. Architekt, Flims-Dorf». Ja, es ist der Rudolf Olgiati (1910 – 1995), der aus dem Fundus der optischen Sachlichkeit der Griechen schöpfte und der damit die Architektur Graubündens nachhaltig befruchtete. Im selben Papier­stapel steckt ein Zeitungsartikel auf inzwischen genauso vergilbtem Papier. «Ich lasse mich doch nicht von Lölis beurteilen. Schliesslich bilde ich mir auch nicht ein, auf einem Viehmarkt Fachreden führen zu können. Aber diese Kitschbrüder haben jetzt überall das Sagen.» So scharf drückt sich Rudolf Olgiati in diesem Artikel von Seraina Gaudenz (Weltwoche, Nr. 9/1990, S. 77) aus. Und Gaudenz schiebt nach: «Rudolf Olgiati ist für seine Bauherren kein einfacher Partner. Denn er bedingt sich ein Mitspracherecht aus bis hin zu den Lampen, Hand- und Badetüchern, Vorhängen, Kissen, Bett­überzügen und Bildern. Hin und wieder sucht er sogar das Geschirr selbst aus. Nichts ärgert und betrübt ihn halt mehr, als wenn der Bauherr sein Werk mit Unpassendem verschandelt.»


Ein Walserhaus – seit mehr als 300 Jahren im Unterdorf von Masein.Die zwei mit Weinlaub bewachsenen Lauben.

Ein Erlebnis vom Keller bis zum Dach

Gerade sitze ich – auf einem jahrhundertealten Riemen­boden im ehemaligen «Abstellraum» – und schaue aus dem Untergeschoss dieses Hauses, das Rudolf Olgiati in den letzten Jahren vor seinem Tod umgebaut hat, in Masein Richtung Thusis und Viamala. Bin ich jetzt ein Löli, wenn ich über dieses Haus schreibe? Nun ja, ich habe nicht vor, Olgiatis Werk zu beurteilen. In meinem Rücken ist eine schmale Treppe und sie beweist, dass derselbe Rudolf Olgiati durchaus nett sein konnte: «Lieber Stephen», schreibt er am 17. Juni 1991 an Stephen Hunter, den Bauleiter des Umbaus, «hier das Plänchen für die Treppe. Die Tritte sollten durch einen kleinen Aufguss in Ordnung gebracht werden, im Übrigen soll aber alles möglichst erhalten werden. Ich bitte Sie, sich mit Frau Lauener über die Bezahlung Ihrer Arbeit zu verständigen. Gruss» Gezeichnet R. Olgiati. Auf dem Plan sind – mit orangem Filzstift – die Aufgüsse festgehalten. So detailbesessen war der berühmte Architekt, nichts war ihm zu klein, als dass er es nicht mitbedacht hätte. Die Treppe führt noch immer steil vom ersten Untergeschoss ins Erdgeschoss hinauf, sie ist wieder rein weiss gekalkt, ein schwarzer Handlauf mit geschwungenem Ende, auch er von Olgiati ausgesucht, hilft beim Auf- und Abstieg.


Leben, um zu arbeiten

Inzwischen sind seit Olgiatis Aufwertung fast dreissig Jahre vergangen. Das umgebaute Haus, – es stammt ursprünglich aus dem 17. Jahrhundert, atmet noch immer den Geist, den der berühmte Architekt ihm – auf subtile Weise – eingehaucht hat. Gehe ich zum Beispiel rechter Hand aus dem Haus, ist da der Olgiati-typische abgeflachte Rundbogen der Tür, vor der – am zauberhaften Sitzplatz – ein Pfau aus Marmor neben weissen Rosen steht. Dass das Haus jetzt wieder umgebaut wurde, hat seinen Sinn. Denn das Motto von Oliver Schulthess und seiner Firma Holzrausch lautet: «Wir schreiben die Geschichte des Hauses weiter.» Unter mir ist nur noch der Naturkeller mit seinen ausgelatschten Stufen – mag sein, dass hier einst Wirte über Jahrhunderte Tausende von Krüge und Flaschen mit Wein oder Bier heraufgetragen haben. Wenn ja, dann haben sie dem Haus jedenfalls nichts von seinem guten Geist genommen. Gleich oberhalb des Hauses – am selben Bach – ist die Säge von Masein, deren Rad sich noch immer dreht. Eine staubige Arbeit, die Durst macht, das Sägen – das macht es doch wahrscheinlich, dass hier einst gewirtet wurde. Frau Lauener nutzte die Liegenschaft, die sich über dem Bach an eine Terrasse klammert, als Wohnhaus mit Atelier, kunstreich bemalte Kacheln bei den Waschbecken, in der Küche und in den Bädern zeugen noch davon, dass sie hier über 20 Jahre gelebt hat. Später war das Haus vermietet, zuletzt hatte es leer gestanden.


Olgiati pur – weisse Treppe mit Handlauf.

Handschlag mit Taube

Dort steht – etwas versteckt auf dem Sims hinter dem riesigen Schreibtisch des Capos – eine Taube aus Ton – sie war sozusagen das Symbol für den Handschlag beim Kauf des Hauses von Frau Lauener. Im stilvollen USM-Möbel daneben stehen vor allem jene Bildbände, aus denen die Inspirationen für die Umbauten von Holzrausch stammen. Sechs moderne graue Stühle, ein schlichter, weiss beschichteter Tisch für Besprechungen – die Ideen stecken hier in den Riemen des Bodens und in den Holzwänden, sie haben Zeit gehabt, sich mit dem Haus zu verbinden, und es gibt sie genauso freizügig wieder frei. Die Stube verfügt über ein einfaches Täfer an Wand und Decke, auch im Obergeschoss gibt es ein kleineres getäfeltes Sitzungszimmer und die rück­gebaute, neu so benannte «Stüva Max». Mit ihr erinnert der neue Eigentümer an Max Rüedi, den Restaurator, der ihm so manches Wissen hinterliess und von dem hier auch ein von ihm persönlich restauriertes Gänterli hängt. Dort aber sind sonst, rund um die Türen, die Balken des Stricks zu sehen. Natürlich sind die Schritte auf den Treppen zu hören, und wenn man sich – für eine kleine Mittagsruhe – im oberen Stock aufs «Gutschi» legt, so sind es die Motoren der Töffs und Postautos auf der Heinzenbergstrasse, die sich in den traumlosen Schlaf hineinsingen, oder an verkehrsarmen Tagen die Stimmen der Vögel. Beim Feierabendbier in der Küche oder – an wärmeren Tagen – im mit Kiesboden und Natursteinmauern gestalteten Gärtchen lässt man die Arbeit des Tages noch einmal Revue passieren. Wenn es einnachtet, werden Haus und Garten raffiniert beleuchtet – der monumentale Charakter dieses doch eigentlich «einfachen» Walserhauses tritt hervor. Nur im obersten der vier Stöcke ist der Strick noch zu sehen, darunter ist er vor­gemauert und verputzt. Auf beiden Seiten des Hauses gibt es je zwei Lauben, wo man – je nachdem, wie der Wind geht – geschützt sitzt, sich trifft, bespricht. Natürlich durfte die vordere Küche bleiben, wie sie ist. Inklusive Holzherd und Schüttstein sowie Elisabeth Laueners Kunst am Bau. Auf der Schaffreite steht ein leerer Vogelbauer, der hier wohl eher das Brot und den Käse vor frechen Mäusen schützen sollte, Kilosteine von alten Waagen dienen als Türstopper und im Aufenthaltsraum – früher die hintere Küche – werden jetzt Produkte und Büromaterialien gelagert.


Einst Wohnzimmer, jetzt Büro des Capos und Sitzungsraum.Blick vom Stübli Richtung Viamala.Kunstwerke und Antikholz sorgen für kreative Ideen.

Ethernet und Wärmepumpe

Jede Zeit kennt ihre eigenen Formen von Luxus. Was dem Römer die Hypokaustenheizung ist dem zeitgenössischen Energiesparer die Luft-Wärmepumpe. Sie leistet 19 kW thermische Leistung und kann damit die 319 Quadratmeter des Gebäudes – also seine Büros – aus Wärme heizen, die sie der Aussenluft entzieht. Natürlich wurden im Zuge dieser energetischen Sanierung Fenster mit Isolierverglasung eingesetzt – es sind solche mit schmalem Flügelprofil. Ebenso selbstverständlich dämmte man das Gebäude so, dass die Wärme in seinen Mauern bleibt. Neu beherbergt es eine Bürogemeinschaft, denn es ist die Stätte von CUBATURA, DBW Werbeagentur, Holzrausch, Pinus Cembra Naturprodukte und CARSCHENNA. Der neuen Nutzung als Wohn­gebäude mit Büros geschuldet, verbindet ein leistungs­fähiges Ethernet den kreativen Arbeitsort mit dem Rest der Welt. Das tönt vielleicht etwas weniger romantisch, doch dafür wird dieses vierstöckige Gebäude, das sich seit mehr als dreihundert Jahren im Unterdorf von Masein perfekt in die Landschaft einfügt, wieder genutzt – ja immer intensiver genutzt. In Anlehnung an einen Leitsatz von Victor Hugo, den sich Holzrausch als Motto ausgesucht hat, kann man sogar sagen: als der Kraftort für die starken Ideen, deren Zeit nun gekommen ist.


Ein Büro mit Strickwänden und Riemenboden.Wie gemacht für Mittagsschläfchen und Kreativpausen an der frischen Luft: die obere Laube.Die vordere Küche mit Schaffreite und Kunst am Bau.