Abos!

IM SCHNELLZUGSTEMPO.

Der Infrastrukturstützpunkt der RhB in Landquart ist seit März fertiggestellt und bereits bezogen. Er vereinigt fünf Fachdienste, die bis jetzt von verschiedenen Standorten aus arbeiteten. Das macht die Bahninfrastruktur sicherer, die Information schneller und bringt die Kleine Rote an die Spitze. CUBATURA Graubünden düste mit Christian Florin durch die neuen Stockwerke.


Text: Fridolin Jakober

Bilder: Ralph Feiner; Rhätische Bahn AG

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Es ist Freitagnachmittag, 15.15 Uhr: Christian Florin, Stv. Direktor und Leiter Infrastruktur der RhB, wird gleich im dritten Stock des ISP Landquart eintreffen. Das News Panel an der Wand zeigt Aufnahmen der Webcams von der Alp Grüm, vom Landwasserviadukt aus Bernina Suot, dazwischen die Meldung, dass heute Morgen die erste von sieben neuen Elektro-Akkulokomotiven für den Rangierbetrieb in Betrieb genommen wurde. Das alles macht klar: Es geht bei der Bahn, die bereits zum UNESCO-Welterbe gehört, vorwärts in eine vernetzte, digitale Zukunft mit sicherer Steuerung, mit zentraler Fahrgastinformation, mit spezialisiertem Engineering. Hier sitzt man mittendrin in einer Bahninfrastruktur, welche seit einem Jahrhundert die Täler Graubündens verbindet. Sie muss erhalten und modernisiert werden, hier wird immer an mehreren Baustellen gleichzeitig gearbeitet. Die sieben Sitzungszimmer heissen Fläsch, Malans, Jenins, Piz Alun, Scesaplana, Sulzfluh und Maienfeld, das Klima an diesem Sommertag ist angenehm, durch die automatisch nach dem Lichteinfall sich tönenden Scheiben sieht man auf die A13 und Richtung Mastrils.


Übersicht gewinnen

Der erste Gang führt aufs Dach des symmetrischen Gebäudes mit 43 000 Kubikmetern Volumen, 1900 Quadratmetern Grundfläche und rund 1000 Quadratmetern Bürofläche. Hier ist die riesige Photovoltaikanlage installiert, welche das Gebäude mit Energie versorgt. Beim Blick über das Geländer wird klar: Der ISP steht nicht zufällig gerade hier, es ist vielmehr der Ort, von wo aus interveniert wird – ob auf der Strasse oder auf der Schiene, sobald ein Gleis beschädigt ist, eine Weiche streikt, die Fahrleitung ohne Strom ist. Der Platz war – als Tor zu Graubünden – schon von jeher strategisch wichtig. In Sichtdistanz zur Rohan-Schanze erstrecken sich inzwischen über Hunderte von Metern die Gleise und Bauten, das Empfangsgebäude, die Büros und die Werkstätten der Rhätischen Bahn. Gerade fährt ein Zug über die neue RhB-Brücke – denn zeitgleich zum Bau des ISP wurde mit dem Doppelspurausbau der Linie nach Malans begonnen, zu dem insgesamt drei Brücken gehören zwei über den Fluss Landquart und eine über die Nationalstrasse A28 – die Prättigauerstrasse. Mit diesem Ausbau wurde auch der Infrastrukturstützpunkt gleich für Schienenfahrzeuge und den Langsamverkehr erschlossen.


Stützpunkt in den Farben der RhB......mit Sonnenenergie.

Synergien nutzen

Das Infrastrukturgebäude – in den Farben der RhB, also mit Rot und Silber gestaltet – steht in diesen Gleisanlagen wie die Brücke eines Supertankers, zu ebener Erde führen die Gleise direkt ins Gebäude. Hier stehen die Schienen­einsatzfahrzeuge und Bauzüge der Fachdienste, im zweiten Untergeschoss, in der Tiefgarage, sind die Strasseneinsatz­fahrzeuge parkiert. Gerade werden die Arbeiten an der definitiven Strassenzufahrt ausgeführt. Doch die Schönheit der Aussicht muss warten, denn wir müssen weiter. Hinunter geht es, ins Parkgeschoss. Die Türen öffnen sich mit der elektrischen Schlüsselkarte. «Ich wollte die Fachdienste Infrastruktur alle an einem Ort vereint haben», sagt Florin, «deshalb zeichnete ich Architekt Maurus Frei fünf sich vereinigende Kreise – für jeden Bereich einen. Das Gebäude selber sollte so organisiert sein, dass alle Fachdienste hier Raum finden und miteinander direkt kommunizieren können.» Deshalb stehen hier die vierradgetriebenen Einsatzfahrzeuge des Fahrleitungsdienstes neben jenen des Bahndienstes Nord, der sich um Weichen und Gleise kümmert. Kommen die Teams hierher zur Arbeit, parken sie, gehen einen Stock höher in ihre Garderoben und machen sich einsatzbereit. Schon hier werden die Informationen ausgetauscht – schliesslich sind vom Ingenieur bis zum Bauarbeiter alle im selben Gebäude. Jeder Mitarbeiter hat zwei bis drei eigene Garderobenschränke – wenn er oder sie die Garderobe mit der Schlüsselkarte betritt, öffnen diese sich automatisch. Ob Sommer, ob Winter, ob Hochgebirgseinsatz oder Tunnelarbeit – Kleider und Ausrüstung stehen bereit. Hier wird das erste Mal klar, dass nicht nur Engineering und Planung in diesem Gebäude konzentriert sind, sondern dass von hier alle Interventionen ausgehen. Insgesamt fünf Fachdienste sind neu zusammen in diesem Gebäude untergebracht: Sicherungsanlagen, Kabeldienst, Niederspannung/Telekom, Energie und Fahrleitung sowie der Bahndienst Landquart. Auch die Teams für den Ausseneinsatz haben hier je ihre eigenen Teamräume – hier werden die Einsätze besprochen, hier stehen Rucksäcke und Koffer mit Material bereit, wenn es schnell gehen muss. Die Lagerräume müssen – je nach Aufgabe – viel fassen können, von einfachem Arbeitsgerät bis zu Spezialgeräten und -werkzeugen. Ein Kurzstopp vor der Orientierungskarte: «Von Landquart bis Ilanz, Thusis und Davos ist der Bahndienst Nord zuständig.»


Eine Werkstatt für alle Dienste

Weiter geht es hinauf, wieder ins Erdgeschoss. Christian Florin wechselt ein paar Worte mit einem Mitarbeiter der Werkstatt. «Auch noch keinen Feierabend?» Im Sauseschritt durch Räume, wo geschweisst wird, wo Drehbänke stehen, wo – in einer eigenen Lackiererei – Ersatzteile beschichtet werden. Der Vorteil: Man kann mit modernsten Geräten und Maschinen arbeiten, denn alle Dienste können von denselben Werkstatträumen profitieren. Davor öffnet sich – jetzt über zwei Stockwerke hoch – die Einstellhalle. Darin diesel­elektrische Lokomotiven, welche schwere Bauzüge, Oberleitungszüge oder – im Winter – auch Schneeschleudern ziehen können und die auch dort zum Einsatz kommen, wo eine Fahrleitung ausgefallen ist. Im ersten Obergeschoss der Fachdienst Elektrotechnische Anlagen mit den Sparten Sicherungsanlagen/Automation, Niederspannung/Telekom, Kabelanlagen und Energie/Fahrleitung. Auf einem Teststand ein Bildschirm zur Fahrgastinformation. Hier werden diese Anlagen programmiert, bevor sie dann an die jeweilige Station ausgeliefert werden. Daneben eine Reihe bereits beschrifteter Koffer, je nachdem, wohin der Einsatz geht. Die Wandfarbe hier kupferrot, passend zum Material, das in vielen Kabeln den Strom leitet. Ein grosser Lift verbindet die Räume – so können elektronische Anlagen und vieles mehr zur Revision gebracht werden. Zurück im zweiten Stock dann die Engineering-Teams der verschiedenen Fachdienste. Jedes wiederum in einem Grossraumbüro in der Fachdienstfarbe beheimatet, jedes hat einen eigenen Kühlschrank und auch eine Besprechungsinsel. An den Decken Betonbalken, in denen die Heiz- und Kühlrohre verlaufen. So kann die Temperatur auf angenehmen 24 Grad gehalten werden.


Werkstatt für alle......Einstellhalle für Bauzüge.

Herzstück Leitstelle

In der Mitte dieser Räume ein verglastes Büro, ähnlich einem riesigen Schaltstand. Mehrere Monitore nebeneinander werden hier das gesamte Infrastruktursystem abbilden – eine Leitstelle, wo Schadensmeldungen, Baustelleninformationen und Informationen der Stationen zusammenlaufen und von wo aus geplant und informiert werden kann. Hier ist man noch dabei sich einzurichten, doch der Flurfunk zwischen Mensch und Mensch funktioniert bereits bestens: «Aha, du hast die neue Stoffmaske vom HC Davos.» – «Ich bring dir eine mit, wenn du willst . . .» Dann ist die Führung schon vorbei. 16.10 Uhr: «Ich komme gleich!» In der Küche, die zu den Sitzungszimmern gehört, wird Catering angeliefert. An jeder Scheibe steht, wie viele Personen derzeit maximal in jeden Raum dürfen. «Man kann die Räume auch alle zu einem Saal verbinden», sagt Christian Florin und verabschiedet sich.


Meile für Meile voraus

Modernisierung einer Bahn, das bedeutet Erneuerung von Fahrzeugflotte und Infrastrukturanlagen. Deshalb müssen auch der Bahnhof und die Werkstätten angepasst werden, weil das neue Rollmaterial aus Trieb- und Gliederzügen besteht. Insgesamt acht Teilprojekte für insgesamt mehr als 500 Millionen Franken umfassen die Erneuerung und der Umbau des Bahnhofs Landquart. Das neue Wahrzeichen – der Infrastrukturstützpunkt – steht, der Doppelspurausbau ist weit fortgeschritten. Mit Phase A im Teilprojekt Gleisanlagen/Perronausbau, Anpassungen und Neubauten der Gleisanlagen innerhalb des Bahnhofs hat man bereits begonnen. In Phase B ist die SBB mit eingebunden, dieses Teilprojekt sieht von 2024 bis 2028 den Bau eines gemeinsamen Perrons SBB/RhB vor, den Neubau der Personenunterführung Nord und die Verlängerung des Hausperrons der RhB. Im Mai 2020 begann man mit dem Ausbau der Rollmaterialwerkstatt für die 56 neuen Capricorn-Züge. Im Frühling 2021 soll mit dem Neubau des Zentrallagers und der Büroräume begonnen werden – sie bilden die repräsentative Adresse der RhB in Landquart. Jetzt ist die Führung vorbei. Über das Sichtbeton-Treppenhaus geht es zum Ausgang, vor dem schon zwei weitere Besucher warten. Sie werden begeistert sein.


Der Empfangsbereich weist in die Zukunft.Jeder Fachdienst hat seine Farbe.Für Sitzungen auf dem roten Teppich.Man kann die Sitzungszimmer zum Saal verbinden.