Abos!

DER PFEIFENDE KAMINFEGERMEISTER.

Brände verhüten ist immer noch die Hauptaufgabe eines Kaminfegers. Mit dem technologischen Fortschritt und den Luftreinhalteverordnungen sind die Aufgaben aber um einiges vielfältiger geworden. Auf Kundenbesuch im vorderen Prättigau mit Kaminfegermeister Christian Kessler.

 

Text: Marietta Kobald   

Bilder: Alice Das Neves

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Leise pfeifend und bewaffnet mit Seil und Rundbürste, steigt Kaminfegermeister Hitsch Kessler vorsichtig über die Leiter von einem Hausdach in Schiers-Maria. Bevor er sich aber ins Haus begibt, sich den Feuerungsanlagen widmet, begutachtet er noch den Brennholzvorrat von Eigentümer Hampi Hitz. Dieser erwartet ihn vor seinem im Freien stehenden, aber gut gedeckten Brennholzstapel aus Buchenholz. «Perfekt. Fachgerecht gelagert, idealer Trocknungsgrad und von hohem Energiewert», lautet das lobende Fazit von Kessler. Demnächst zersägt und spaltet Hitz seinen Vorrat noch in kleine, handliche und gut brennbare Scheiter, so dass er und seine Frau Helen in den nächsten zwei Jahren behaglich warme Wohnräume haben.

Das Problem mit dem Feinstaub

«Kleinholzfeuerungen sind eigentlich schlecht, da die benötigten hohen Temperaturen für eine gute Verbrennung und möglichst feinstaubfreie Abgase fast nicht zu erreichen sind», erklärt Kessler. «Darum legen wir Wert auf eine gute Holzqualität, unbehandeltes und nicht zu grob geschnittenes Brennholz und auf das Abbrennen von oben, das bei den meisten Systemen gut funktioniert.» Diese Massnahmen, so Kessler, hätten in den letzten zehn Jahren sehr viel gebracht, was die Feinstaub- und Kohlenmonoxid-Belastung betreffe. Bedingt durch die gesetzlichen Brandschutz­vorschriften, die Kontrollen der Kaminfeger und das Gespräch mit ihren Kunden, ist auch ein weiteres, die Umwelt stark belastendes Problem weitestgehend verschwunden: das Entsorgen von Abfällen via Ofen und Kamin. Der 55-jährige Kessler mag sich entsinnen an im Ofenboden eingebrannte Joghurtbecher und Reste von zerschnittenen Plastikgelten. Vieles wurde vorher so entsorgt, aus Unwissen und mit der Einführung der Sackgebühren, als Sparmassnahme. Dass sich der bei der Verbrennung entstehende Feinstaub mit äusserst problematischen Substanzen ver­mischt, aber in unmittelbarer Umgebung wieder zu Boden senkt und dadurch den selbst gepflanzten und mit viel Liebe gezüchteten Biokopfsalat in einen währschaften Giftcocktail verwandelt, leuchtet jedem Gesprächspartner der Kaminfeger ein und die Sache mit der illegalen Entsorgung via Kamin hat ein Ende. Überhaupt das Gespräch, das sei wichtig, betont Kessler, und gibt ein weiteres Beispiel. Reklamationen von betroffenen Nachbarn gingen heute häufig über den Gemeindevorstand bei ihm ein, statt über das Amt. Ihm sei das lieber, denn im Gespräch könne er den Sünder oder die Sünderin aufklären, sonst werde es schnell sehr teuer, sagt er lachend und steigt, eine lüpfige Melodie vor sich hinpfeifend, die Treppe zur Haustüre hoch.


Kaminfegermeister Christian KesslerMit dem Seilrollenbock wird die Rundbürste durch den Kamin geführt.

Mit Rosshaar und Taschenlampe

Das Holzhaus der beiden Hitzen, Hampi und Helen, wird nur mit einem Stubenofen und einem Tibakochherd geheizt. Diese und der Kamin müssen nach Vorschrift zweimal im Jahr gereinigt werden. Damit werden Kaminbrände verhütet und die regelmässige Kontrolle der Aggregate hilft ebenfalls bei der Brandver­hütung. In der gemütlichen Küche hat Kessler vor der Kaminreinigung von oben ein Abdeckvlies ausgebreitet und die Schieber mit Zeitungspapier abgedichtet, damit ja keine Russpartikel ins Freie entschweben. Nun putzt er mit einem Federkiel und einem langstieligen Besen aus Rosshaar die Züge, kontrolliert mit der Taschenlampe und entfernt alles mit dem Staubsauger. Früher, ja daran kann sich Helen Hitz erinnern, da hatte der Kaminfeger noch keinen Sauger, wurde alles mit dem Besen und der Schaufel entfernt. Umso grösser war der Anfall an Russ, musste die tüchtige Hausfrau anschliessend das halbe Haus putzen und die Wände wieder weissen. Diese Zeiten sind vorbei, heute findet sie kaum ein Stäubchen.

Veränderungen durch technischen Fortschritt

Helen Hitz zeigt sich dementsprechend dankbar und bietet Kessler einen Kaffee an. Dankend nimmt er das Angebot an und erzählt von seinem beruflichen Werdegang. Sein Traumberuf wäre eigentlich eher technischer Natur gewesen, aber damals, um 1976, hätte er bei 50 Stellenbewerbern auf zwei Lehrstellen keine Chance gehabt. Glücklicherweise habe der neue Kübliser Kaminfegermeister Fritz Näf einen Lehrling gesucht und so habe er zugegriffen. Nach der Lehre arbeitete Kessler bis 1985 in Horgen, winters als Kaminfeger und sommers beim gleichen Betrieb als Dachdecker. «Bereits damals bildete ich mich mit Kursen weiter, konnte 1988 die Meisterprüfung machen und war anschliessend während sechs Jahren im Verkauf für Holz­zentralheizungen tätig.» 1997 bewarb sich Kessler als Nachfolger für den Kreis Schiers, Seewis und Jenaz und erhielt den Zuschlag.

Trotz einger Verluste an Kunden, bedingt durch neue Vorschriften, den technischen Fortschritt mit Wärmepumpen und Fernwärmeverbunde, mag Kessler nicht klagen. Hier im ländlichen Gebiet sei es nicht so gravierend wie zum Beispiel im Rheintal und in den Städten. Zwei Angestellte und ein Lehrling, der abwechselnd im Kreis Küblis wirkt, besorgen die Kaminfegerarbeiten an über 1000 Ölheizungen und etwa 2500 Einzelfeuerungen. Dazukommen noch gegen 900 Objekte ausserhalb der Dörfer, teilweise schlecht erreichbare, die alle paar Jahre im Turnus kontrolliert und deren Feuerungsaggregate gereinigt werden müssen.


Kaminfeger-Stillleben von hintenRundbürste mit KugelschlagapparatFeuchtigkeitsmessung beim BrennholzDer Rauchzug wird entrusst.

Was wohl?

Nach dem Einziehen der fälligen Gebühren und einem herzlichen Dankeschön verabschiedet sich Kessler bei seinen Kunden. Der nächste Termin steht an. Im blauen Mitsubishi-Bus mit Allradantrieb und Untersetzung geht die Fahrt holpernd weiter, den Berg hoch. Hie und da wieder leise pfeifend, mit den Fingern einen Takt aufs Lenkrad klöpfelnd, gibt Kessler Auskunft über seine Hobbys. «Sport, Biken und Rennvelofahren sommers und Langlauf und Skitouren winters.» Und sonst? «Musik, ich bin Präsident vom Bündner Volksmusik-Verband und seit 30 Jahren Mitglied bei der Kapelle Rhätikon.» Und jetzt dürfen Sie dreimal raten, was Kaminfegermeister Kessler dort spielt!


Mit dem Langstieler wird der Russ herausgekehrt.

Berufsbild Kaminfeger

Lehrzeit 3 Jahre, Voraussetzung: abgeschlossene Volksschule

Mit den modernen Heizungsanlagen ist der Beruf Kaminfeger/-in deutlich technischer geworden. Die Berufsleute sind heute genauso oft mit Steckschlüsseln und Messgeräten unterwegs wie mit Bürsten und Besen. Auch dem Trend zu Heizsystemen ohne fossile Brennstoffe, wie zum Beispiel Erdsonden oder Solarheizsystemen, müssen sie sich stellen. Ihre Tätigkeiten passen sich diesen Änderungen an. So reinigen Kaminfeger/-innen zum Beispiel auch Lüftungsanlagen in der Industrie oder von Minergie-Systemen. Kaminfeger/-innen leisten mit ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag zu Brandverhütung, Umweltschutz und Energieeffizienz. Sie sind ständig unterwegs und reinigen in regelmässigen Abständen die Öl-, Gas-, Pellet- und Holzheizungen und deren Kamine. Zudem überprüfen sie Feuerungsanlagen und Gebäude auf ihren brandschutztechnischen Zustand. Mit einem Messgerät ermitteln sie die Abgaswerte von Öl- und Gasheizungen, bei Holzheizungen und Cheminées überprüfen sie den technischen Zustand und die Brennstoffe. Bei ihrer Arbeit ist körperliche Kondition wie auch technisches Verständnis gefragt. Zudem müssen Kamin­feger/­-innen über gute Umgangsformen verfügen und sehr sauber und exakt arbeiten. Weitere Infos unter www.kaminfeger.ch