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    EIN SCHMUCKSTÜCK IM GRÜNEN.

    Sandra Romer und Michael Schumacher sind Besitzer eines Einfamilienhauses an der Churer Berggasse inmitten von altem Baumbestand und Rebbergen. Das Gebäude aus den 30er-Jahren hat seinen ursprünglichen Charme bewahrt und ist trotzdem energetisch auf dem neusten technischen Stand.

    Text: Aldo Mathis
    Bilder: Mathias Kunfermann

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    Die Berggasse in Chur am Fusse des Mittenbergs ist architektonisch geprägt von Einfamilienhäusern unterschiedlichster Grösse und Formen. Ein Stilmix ist da im Laufe der Zeit entstanden. Das mag für viele irritierend wirken, hat aber seinen ganz besonderen Reiz. Eine gewisse Einheit ist trotzdem nicht zu übersehen, denn die meisten Bauten sind von Mäuerchen eingesäumt, die vor allzu neugierigen Blicken schützen. Das ist auch beim Eigenheim von Sandra Romer und Michael Schumacher nicht anders. In der zur Strasse gewandten Mauer, üppig bewachsen mit Wilden Reben, ist nur ein kleines Gartentor eingelassen. Den Besucher erwartet ein bezauberndes Grundstück an Hanglage mit Apfel- und Birnbäumen, Lavendel, Rosen, Flieder, Hortensien und beim Hauseingang einen Feigenbaum. Alles ist auf verschiedenen Ebenen angelegt und mit Natursteinmauern aus San-Bernardino-Stein geschickt arrangiert. Aus dem gleichen Material bestehen auch ein Brunnen und die Platten des idyllischen Sitzplatzes – ein bevorzugter Aufenthaltsort der Bewohner, wie Sandra Romer meint. «Die Liegenschaft hat den Touch des Südens».

    Wohltuende Schlichtheit mit grandioser Aussicht

    Nach dem Betreten des auf den ersten Blick zweigeschossig wirkenden Hauses gelangt man in die grosszügig konzipierte Wohnküche. Eine attraktive Küchenkombination in dezenter Farbe und gut platzierte, zeitgenössische Bilder an den glattverputzten, weissen Wänden prägen den Raum. Den Kontrast zum modernen Interieur bildet eine abgelaugte Holzkommode, die auch als zusätzliche Abstellfläche dient. Der Fussboden ist mit mattem Eichenparkett belegt. Hier wirkt nichts protzig. Es herrscht eine wohltuende Schlichtheit. Das zeugt vom sicheren Stilgefühl der Bewohner. «Hier halten wir uns auch mit Gästen meistens auf, wenn wir nicht den Garten geniessen», sagt Sandra Romer.

    Wir sitzen am langen Tisch beim Kaffee und geniessen die grandiose Aussicht über den Rebberg und die Stadt bis weit in Richtung Westen. Das ist ein weiteres Highlight des Anwesens an der Berggasse. «Das Haus wurde 1935 vom Architekten Mächler erbaut. Er lehnte sich vermutlich an die Moderne an. Aber er versah den Bau nicht mit dem damals trendigen Flachdach», erklärt Michael Schumacher, der selbst ein Architekturbüro leitet. «Wir sind mittlerweile froh über den Entscheid des Erbauers. So haben wir auf dem Estrich viel Stauraum, was ja bei einer fünfköpfigen Familie durchaus Sinn macht.» Ursprünglich sei das Haus für ein Ehepaar, dessen Tochter und eine Magd konzipiert worden, bemerkt Michael schmunzelnd. Danach wurde die Liegenschaft jahrelang an verschiedene Familien vermietet. Einst lebte hier sogar eine Art Alters-Wohngemeinschaft.

    «Es war quasi Liebe auf den ersten Blick»

    Auch Sandra und Michael haben das Haus zuerst gemietet. «Vorher wohnten wir an der Loëstrasse und suchten aus Platzgründen eine neue Bleibe. Wir hatten schon zwei Söhne», erinnert sich Sandra. Das Haus war zur Miete ausgeschrieben, und als sie sich die Liegenschaft angesehen hätten, sei das quasi wie Liebe auf den ersten Blick gewesen. «Das Haus besass trotz einiger Mängel einfach Charme und die erhöhte Lage mit der einmaligen Aussicht, dem alten Baumbestand im Garten und dem angrenzenden Weinberg hat uns in den Bann gezogen.» Sandra und Michael zogen mit ihren Söhnen in die Berggasse und nahmen schon während der Zeit als Mieter einige Sanierungen vor. Aber das sei bloss Kosmetik an der Wirklichkeit gewesen. Denn die Vermieter hätten kaum was in die Liegenschaft investiert. Dennoch war dem Ehepaar bald klargeworden, dass es das Objekt kaufen wollte. Da wären wir wieder bei der Liebe auf den ersten Blick . . .


    Einladend: In dieser Wohnküche fühlt man sich einfach wohl.Lichtdurchflutet: Das Reich der drei Söhne.Ein Bett im Weinberg: Spannend, was aus dem ehemaligen Keller entstanden ist.

    Gründliche Sanierung statt Neubau

    2009 konnten Sandra und Michael die Liegenschaft erwerben. Stand denn ein Neubau nicht zur Diskussion? «Für uns war das zu keinem Zeitpunkt ein Thema. Wir hätten ja die Kubatur nicht vergrössern können. Zudem war das Mauerwerk in gutem Zustand. Ebenso der Dachstock. Und wie erwähnt: Das Haus hat Charme. Wir wollten die vorhandene Substanz nicht zerstören», betont Michael. Zudem sei ihnen die Erhaltung des alten Baumbestandes auf dem Grundstück am Herzen gelegen. Wichtig war, den vorhandenen Raum optimaler auszunutzen. So wurde zum Beispiel der überdimensionierte Keller zum neuen Schlafzimmer für das Paar ausgebaut, so dass sich der Wohnbereich nun auf drei Geschosse ausdehnt. Dazu war ein grösserer Aushub notwendig. Der Aufwand hat sich sichtlich gelohnt: Schlafen fast mitten im Rebberg. Eine Räumlichkeit mit raffinierten Details wie die hinter einer schmalen Wand angebrachten Lavabos und einer weiteren Nasszelle, die sich als «getarnter» Raum neben den Kleiderschränken befindet. Auch in diesem Bereich ist Kunst zu entdecken. Kein Wunder, war doch Sandra Romer Kulturbeauftragte der Stadt Chur, leitete danach eine über die Region hinaus bekannte Galerie und organisiert nach wie vor bemerkenswerte Expositionen. «Kunst hat für uns beide einen hohen Stellenwert», betont auch Architekt Michael. Und die drei Söhne? «Die Jungs leben im obersten Stock. Inklusive Balkon, eigener Nasszelle und einer Chill-out-Ecke mit Playstation usw. Das ist ihr Reich.»

    Angenehmes Raumklima

    Als die Familie noch zur Miete im Haus wohnte, lernte sie auch die mühsame Seite von Altbauten kennen. «Wir haben hier immer gefroren, es war überhaupt nicht behaglich. So entschieden wir uns für eine Umrüstung im Minergie-P-Standard.» Das sei richtig gewesen: «Das Raumklima ist nun perfekt. Jetzt ist es gemütlich in jedem Raum.» Erreicht wurde die energetische Sanierung mittels Solaranlage und einer Wärmepumpenheizung mit Erdsonde. Zudem wurde das Haus optimal gedämmt, was nicht ganz einfach war, ohne den Charakter der Fassade zu verpfuschen. Einzig die alten Rollläden mussten entfernt werden. Farblich wurden die Fensterlaibungen sowie die Balkonsprossen im Obergeschoss in einem warmen Ocker-Ton gestrichen. Eine Lösung, die sich am originalen Zustand orientiert.

    Die Besitzer des Schmuckstücks im Grünen sind sich einig: «Wir würden das Ganze nochmals so machen!» Glauben wir gern. Ist dies doch ein gutes Beispiel, wie man eine alte Liegenschaft energetisch auf Vordermann bringen und die vorhandene Substanz erhalten kann.


    Schonender Umgang mit dem Grundstück: Der alte Baumbestand wurde bei der Sanierun nicht tangiert.Überwältigende Aussicht auf das abendliche Chur.

    Die Eigentümer und ihr Haus

    Dr. phil. Sandra Romer ist im Thurgau aufgewachsen. Sie studierte Geschichte, Filmwissenschaft und Publizistik an der Universität Zürich. Romer war Mitarbeiterin am Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte in Zürich, Mitarbeiterin der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia in Berlin und Kulturbeauftragte der Stadt Chur. Danach gründete sie den Kunstraum Sandra Romer (bis Ende 2014).

    Architekt HTL/SIA Michael Schumacher ist in Chur aufgewachsen. Nach einer Lehre als Hochbauzeichner und dem Studium HTL in Winterthur war er in Berlin und Windhoek (Namibia) als Architekt tätig und übernahm im Jahr 2000 von seinem Vater das Architekturbüro Christian Schumacher. Seit 2014 ist er Mitinhaber des Architekturbüros Ritter Schumacher AG mit Sitz in Chur, Vaduz und Zürich. Das Paar Romer/Schumacher hat drei Söhne. 2009 konnte die Familie das Haus an der Churer Berggasse erwerben und sanierte es sanft, aber gründlich. 2012 wurde der Bau mit dem Label Minergie-P zertifiziert.