Abos!

DORT, WO DAS LEBEN STATTFINDET.

Wohnen mitten im Dorf, umgeben vom Leben, das war der Wunsch der Familie Bühler. Mit dem Kauf und der Restauration eines stattlichen Bürgerhauses aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts mitten im Dorf Fideris ist ihr Wunsch in Erfüllung gegangen.


Text: Marietta Kobald 

Bilder: Simon Röthlin; Heini Fümm

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Fideris, ein Dorf im Prättigau, 150 Meter über dem Talboden sternförmig angelegt, geprägt durch eine intakte dörfliche Ausstattung, eng gefasste Gassenräume, eine grosse Zahl von stattlichen Wohnbauten und ein Ortsbild von nationaler Bedeutung. So lautet in etwa die Kurzfassung vom Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz.

An der Kreuzgasse, der Name sagt es, verzweigen sich Wege, stehen Häuser direkt an der Strasse. Ein Schritt zur Haustüre raus und schon steht man mitten im Leben. So auch beim ehemaligen Haus Janett, später Donau und heute eben Bühler.

Ein Haus mit Geschichte sollte es sein

Sandra und Martin Bühler-Krebs, sie Architektin, Stadtplanerin und Dozentin an der HTW in Chur, er Leiter vom Amt für Militär und Zivilschutz, drei Kinder. Im Bauerngarten, an einem lauschigen Sitzplätzchen unter dem alten Holunderbaum, erzählen die beiden ihre Hausgeschichte. Obwohl Architektin, wollte Sandra kein neues Haus für die eigene Familie planen. Ein altes mit Geschichte sollte es sein, auf dem Land, aber trotzdem mitten im Dorf.

Der Verkäufer wollte eine Familie, die hier Wohnsitz nimmt. So ging der Kauf im August 2015 über die Bühne und schon im Februar 2016 zog die fünfköpfige Familie ein. Glücklich seien sie hier, glücklich, dass ihr Wunsch nach einem Leben mitten im Dorf in Erfüllung gegangen sei.

Die relativ kurze Planungs- und Sanierungsphase begründet Sandra damit, dass alle am Bau Beteiligten Hand in Hand gearbeitet haben. Am Gebäude wurde über die vergan­genen Jahrhunderte wenig verändert. Bühlers wollten wo möglich die historische Substanz erhalten und wo nötig in den ursprünglichen Zustand zurückbauen.


Haus Bühler an der Kreuzgasse in Fideris

So geht sanfte Restauration

Das vierstöckige fast quadratische Wohngebäude wurde mit grosser Wahrscheinlichkeit 1710 (Jahrzahl im Giebel) als Doppelhaus mit gemeinsamem mittigem Hauseingang und Treppenaufgang erbaut. Nordseitig kam später ein grosses Ökonomiegebäude hinzu.

Das Keller- und das Erdgeschoss weisen bis ein Meter dickes Mauerwerk auf und beide Decken sind mit Kreuzgewölben, die an den massivsten Stellen über zwei Meter dick sind, erstellt. Weder Feuerstellen, Kamin noch Täfer waren hier vorhanden. Dies darum, weil sich laut Bühlers früher im Erdgeschoss ein Laden, ein Restaurant und im hinteren Bereich ein Schlachtraum befanden. Dieser Schlachtraum ist heute die Küche mit Türe zum Garten. Auch diese war vorhanden, nichts wurde verändert ausser, dass der bestehende, grau schimmernde, glattpolierte Mörtelboden sich im grossen Chromstahl-Kochblock spiegelt, der mitten im Raum steht. Keine Regale verstellen den Blick auf die frisch gekalkten Wände, einzig ein unauffälliger Radiator musste montiert werden, der Wärme wegen. Dass sie in der kalten Jahreszeit nicht barfuss und im T-Shirt hier wohnen würden, war Bühlers von Anfang an klar. Eine Fussbodenheizung in dieses historische Haus einzubauen, wäre nur mit viel Aufwand und Zerstörung der alten Substanz gegangen.

Nur ein Bauteil ersetzt

Der vordere Raum neben der Küche ist das kleine Esszimmer und getrennt durch den grossen Hausflur mit Steinplattenboden befindet sich ein Saal, der über die ganze Hauslänge reicht und als Musik- und grosses Esszimmer dient. Auch bei diesen beiden Räumen wurde nichts verändert. Über eine doppelläufige Treppe, die als einziges Bauteil ersetzt werden musste, da sie vor Jahrzehnten nicht fachgemäss erstellt worden war, gelangt man auf halber Höhe zur Türe, die zum Ökonomiegebäude führt. Dort wurde in den 1980er-Jahren auf ein grosses Podest angrenzend ans Haus ein kleines Badezimmer eingebaut. Das nutzten Bühlers für einen Vorraum mit Treppe zum Heustall hinunter und für eben diesen Zweck, nur viel grösser. Eine freistehende Badewanne, eine Dusche mit Glastrennwand, der Boden mit hellem San-Bernardino-Granit belegt, die Wände vergipst mit weissem Glattputz, aufgelockert durch einen, zur Konstruktion des Stalls gehörenden Naturstein-Pfeiler, und ein riesiges Panoramafenster zum Heustall hin sind nebst der Küche fast die einzigen sichtbaren Zugeständnisse an die heutige Zeit und vermitteln trotzdem Behaglichkeit. Damit soll nicht gesagt sein, dass Bühlers sich in einem Museum be­finden, sondern dass die Haustechnik sehr sorgfältig ge­plant und in Absprache mit den Fachleuten installiert wurde. Auch hat man nirgends das Gefühl, sich in einem inszenierten Ausstellungsraum zu befinden. Die Kinder sind überall sichtbar, die Möbel, fast alles Erbstücke aus vielen Stilepochen und ältere Neuanschaffungen, sorgen für ein fröhliches Nebeneinander.


Esszimmer im Erdgeschoss mit Blick zur KücheSaal oder grosses Esszimmer und überall KreuzgewölbeHauseingang mit Treppenhaus und den alten Türen zum Saal und Esszimmer

Spitzen mit Überraschung

Im ersten Obergeschoss sind die stallangrenzenden Räume noch aus Mauerwerk, der vordere Teil ist gestrickt, aus Massivholz und aussen gesamthaft mit einer Mauerschale versehen.

Beim Treppenaufgang links und rechts befanden sich die beiden Küchen des ehemaligen Doppelhauses. Rechts hat Martin den Klinkerboden herausgespitzt und darunter kam ein wunderschöner Steinplattenboden zum Vorschein. Dieser Raum ist heute das Elternschlafzimmer, die andere ehemalige Küche wurde zum Lesezimmer samt altem Holzherd. Von hier aus und dem Elternschlafzimmer werden die beiden Mantelöfen betrieben, die die beiden Stuben, heute ein Büro und ein Wohnzimmer, beheizen. Ausser dem Elternzimmer weisen alle Räume alte, dicke und manchmal wurmstichige Dielenbretter auf. Diese kamen zum Vorschein unter bis zu drei weiteren Holzböden.

Auch das zweite Obergeschoss ist aus Strick und beinhaltet vier Schlafzimmer für Kinder und Gäste. Die beiden hinteren Zimmer waren mit Täfer ausgekleidet, das nicht so wertig war wie in den vorderen Zimmern. Um mehr Platz zu erhalten – auch die riesigen Kamine waren damit verkleidet –, wurde dieses entfernt und darunter kamen wunderschöne, handbehauene Strickbalken zum Vorschein. Ein zweites Badezimmer wurde übrigens noch auf das darunter liegende gebaut, um sich den Gang über drei Treppenläufe zu ersparen.


BadezimmerAlte Dielenbretter und Mauerpfeiler im Bad.Badewanne mit Aussicht zum HeustallLesezimmer im 1. ObergeschossHausflur im 2. Obergeschoss mit Estrichtreppe

Technik

Das Haus haben Bühlers samt Inventar gekauft und dieses musste gesichtet und teilweise entsorgt werden. So hat denn auch die Hauptarbeit aus Räumen und Putzen bestanden, sagen Bühlers. Mit Besen, Staubsauger, Nylon­bürsten und Schmierseifenwasser war die ganze Familie plus Anhang wochenlang beschäftigt.

Der Technikraum befindet sich im hintersten Keller unter der Küche. Dort war es möglich, ohne grosse Ausbrüche im Natursteinmauerwerk die verschiedenen Leitungen ins Stallgebäude zu führen und via Leitungskanal auf die Geschosse zu verteilen, um von oben durch die Holzdecken an die geplanten Punkte zu gelangen. Die Heizungsrohre der Erdwärmepumpe und die elektrischen Installationen wurden aufputz geführt, so dass aufwändige Durchbrüche ausblieben.

Einen grossen Posten im Baubudget nahmen die Wär­me­dämmung des Dachbodens mit Schafwolle und die Fensterrestaurationen und -ergänzungen ein. Sie wurden mit ori­ginal nachgebauten Vorfenstern oder innen liegenden Fenstern aus Isolierglas verstärkt.

Derzeit, es ist Ferienzeit, ist die ganze Familie mit Spitz­arbeiten beschäftigt. Die Fassade vom Haus an der Kreuz­gasse muss saniert werden, denn die letzte Sanierung ist fast vierzig Jahre her, da und dort blättert der Putz ab. Aber nicht mehr lange. Er wird entfernt und ein neuer Sumpfkalkputz mit historisch getreuer Bemalung der Mauerecken und Fenster wird das stattliche Haus mitten im Dorf verschönern, dort, wo das Leben stattfindet.


Hausflur im 1. Obergeschoss, auch hier ein Kreuzgewölbe

Geschichte
Aus Hans Simmen, Fideris – Kulturgeschichtlicher Rundgang, gekürzt: Stattliches Gehöft, Haus und Stall vereinigt unter einem Dach. Im Hausgiebel stehen die Jahr­zahlen 1710 und 1761. Erstere ist wohl das Baujahr. Als Bauherrn dürfen wir Jakob Janett annehmen. Der Neubau stand anfänglich gegen Norden frei. Wahrscheinlich 1761 wurde ein dort vorhandenes Haus zum Stall umfunktioniert.

Ein noch im Poeschel erwähnter Ofen aus der Werkstatt von Andreas Lötscher, datiert mit 1828, wurde abgebrochen.


Haus Bühler an der Kreuzgasse in Fideris