Abos!

DIE LEHRE DES WALDES.

Der Wald von Laax-Salums – ein Lebensraum ausserhalb der Bauzone. Hier realisierten Hofmann & Durisch für die Gemeinde Laax 2017 einen Forstwerkhof und eine Waldhütte, die eben weit mehr als eine blosse Hütte ist und wo der Wald als Erholungsort, als Rückzugsort hautnah erlebt werden kann. Inmitten des Gebietes, das der Bergsturz formte.


Text: Fridolin Jakober 

Bilder: Philipp Ruggli, Alice Das Neves

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Sie nennt sich einfach Tegia d’Uaul oder Waldhütte und sie wurde im Wald von Laax-Salums erbaut, etwas oberhalb jener Oase der Stille, wo einst so illustre Figuren wie Tesli Mathias Cavelti, der «Heilige von Salums», hausten oder der Künstler Carl Strauss, auf den das Restaurant «Straussennest» zurückgeht. Die Stille ist immer noch da. Jeweils zur vollen Stunde durchbrechen von fern Glockenschläge der Kirche von Laax den Schleier der Waldgeräusche. Zwitschern, Vogelrufe, das unablässige Murmeln des Brunnens und von fern die Motoren- und Reifengeräusche – alles wächst in dieser Stille. Rund um die Behausung Flore von Erika, blühende und reife Erdbeeren, Teufelskralle und Akelei und Farne, die hier auf der Lichtung in die Höhe schiessen. Wer barfuss geht, fühlt den Bretterboden, den Kies und die Holzschnitzel und dann – sobald er den Bannkreis der Hütte verlässt – die unendlich weiche Welt des Waldbodens aus Moosen, Erde und Tannennadeln. So muss das Leben von Tesli sich angefühlt haben, auch wenn er nicht den Luxus dieser Waldhütte geniessen konnte.


Dabei ist die Tegia – wie übrigens auch der um einiges grössere Forstwerkhof daneben – nicht zum Wohnen konzipiert worden, sie liegt jaausserhalb der Bauzone im Grosswald von Laax, sondern als ein besonderes Unterrichtszimmer für Seminare im Wald, also fast eine «Waldschule». Der Forstwerkhof ist dabei der neue Arbeitsplatz für den Forstbetrieb von Laax-Sagogn, die Waldhütte dient als Waldschulhaus, Konferenzraum, aber auch als Event- oder Festlokal.


Wie ein kleines «Pentagon» mit Grillplatz – die Tegia d'Uaul.Gebaut aus lokal geschlagenem Holz.Platz für 60 Seminarteilnehmer.Beton und Holz – gut gepaart.

«Das Waldgesetz lässt es zu», so Maurus Cavigelli, der Leiter des Forstwerkhofs, «dass Gebäude für forstliche Zwecke im Wald realisiert werden. Das Besondere an dieser speziellen Lokalität, der Waldhütte, ist: Das Gebäude wurde mit der technischen Infrastruktur auch so eingerichtet, dass es die Bedürfnisse einer zeitgemässen Waldhütte erfüllt. Die Nachfrage zeigt, dass das Bedürfnis auch da ist. Man sieht von hier aus keine Häuser, trotzdem ist die Hütte zu Fuss vom Quartier Salums aus gut zugänglich.» Früher sei dort nur Wiese gewesen, «dann, nach den 1950er Jahren, ging es los und jetzt ist fast alles überbaut. Der Grosswald von Laax ist ein wichtiges Naherholungsgebiet und gut mit Waldwegen erschlossen. Der Teil Richtung Laax und Sagogn ist eher ruhiger und weniger überlaufen als das Gebiet von Cauma- und Crestasee.» Trotzdem besuchen viele Wanderer diesen sehr speziellen Wald mit seinem stufigen Aufbau und seinen schönen Waldbildern. «Es ist ein gut strukturierter Wald mit Nadelhölzern – also Fichte, Weisstanne, Föhre. Ein schönes Gebiet, etwas abseits der Strasse.» So ist auch die Wald­hütte etwas für die gesamte Bevölkerung – auch für die Einheimischen. Hier kann ihnen die Gemeinde etwas zurückgeben, hier können sie – in vernünftigem Rahmen – das Leben im Wald geniessen, denn «die Leute suchen solche speziellen Lokalitäten, um Anlässe durchzuführen.» Auf www.salums-sura.ch kann die Hütte mit oder ohne Catering gemietet werden, auf Wunsch auch mit Beamer, Whiteboard usw. für Workshops und Schulungen, aber auch für Hochzeiten oder Geburtstage oder auch von lokalen Vereinen wie dem Männerchor oder dem Jägerverein.


Funktional und zugleich schön

Architekt Reto Durisch, von Hofmann & Durisch, Flims, hat mit der Waldhütte einen Funktionsbau geschaffen, der gleichzeitig ausgezeichnete Architektur zeigt. Das fünfeckige Gebäude – ein bisschen wie das Pentagon geformt – besticht im vorderen Teil mit fast 16 Metern Fensterfront, die sich automatisch über Eck öffnen lassen. Der Wald erstreckt sich dort, wo das Auge hinschaut. Trotzdem bleibt man hier geschützt, durch das Walmdach, konstruiert in Fichte und mit Kupfer eingedeckt, mit seiner Auskragung von über drei Metern und integrierter Rinne. So kommt der Wald mit seinen Vogelstimmen und dem Duft der vielen Pflanzen in den offenen Raum. Dieser kann, wenn nötig, mit Stückholz ferngeheizt werden, verfügt aber auch über ein Cheminée, vor dem man gemütlich einen Höck machen kann, bietet eine Bar mit Küche und Hockern – ausser dem Lagerbereich ist alles offen gestaltet und multifunktional aufgebaut. Die Waldhütte besteht aus Sichtbetonwänden im Innern und ist von aussen gedämmt, hinterlüftet und mit einem Holzstrick in Fichte ummantelt. Der Boden, die Decke sowie alle Türen und Einbauten des transparenten Gebäudes sind in Weisstanne gefertigt. Die Aussenelemente wie Brunnen und Grillanlage sind passend zur Gebäudearchitektur in Beton und Holz gehalten.


Rundblick aus dem Waldschulzimmer.Innen und aussen lassen sich verbinden.Strickwände aus Fichte für die Forstbüros.

Ein Forstwerkhof, der passt

Realisiert wurden die Gebäude für die Gemeinde Laax dort, wo bereits ein Holzschopf stand, zu dem eine Waldstrasse führt. Der Holzschopf mit L-förmigem Grundriss ist nach wie vor in Betrieb. Da der Platz nicht weit vom Dorf und mitten im Arbeitsgebiet der Förster gelegen ist, schuf man hier neuen Raum.

Man verwendete für die Gebäude rund 300 Kubikmeter Rundholz, welches im Umkreis von zehn Kilometern geschlagen und regional verarbeitet, getrocknet und dann verbaut wurde. Beide Gebäude sind aus lokaler Weisstanne und Fichte sowie aus Sichtbeton gebaut. Der Forstwerkhof wurde konstruktiv aus Strickwänden in Fichte, Innenwärmedämmung und Weisstannentäfer mit Beton sowie Vollholzböden erstellt. Seine Walmdächer sind aus Fichtenbalken konstruiert und in Kupfer eingedeckt. Zwei doppelstöckige Gebäude mit ebenfalls fünfeckigem Grundriss und Walmdächern umrahmen eine Einstellhalle, wo drei grosse Forstfahrzeuge stehen können.

«Erst war ein Gebäude in Elementbauweise geplant, doch wir wünschten uns ein Gebäude aus Holz, das hier wächst, da wäre das schwierig geworden. So wählte der Architekt die Strickbauweise, die heute seltener geworden ist. Mit dieser Lösung konnte viel Holz aus eigenem Wald verwendet werden. Die Architektur kombiniert Holz mit Beton – das finde ich gut, denn es zeigt, dass man mit Holz und Beton in Kombination moderne Bauten machen kann. Ich denke, das Resultat bestätigt das auch. Zudem konnten wir ein Stück weit auch mitgestalten», sagt Maurus Cavigelli, «und wir sind hier sehr zufrieden. Wir haben genügend Platz – auch für die Maschinen. Alles ist unter einem Dach, es gibt eine grosse Einstell­halle, einen Nebenraum für Reparaturarbeiten, ein Verwaltungsgebäude, das Büro des Försters, Garderoben für die Mitarbeitenden und einen Aufenthaltsraum für die Pause. Das ist alles gut gegliedert und strukturiert und passt für uns. Vorher waren wir mit dem Forstrevier bei den Werkbetrieben Laax eingemietet, aber wir hatten zu wenig Platz.» Dabei erfüllt das Gebäude auch optisch die Ansprüche – es ist für die tägliche Nutzung durch vier bis sechs Mitarbeitende ausgelegt.

Funktionale Architektur nimmt heute in Graubünden wieder einen weit grösseren Stellenwert ein – das beweisen klug in die Landschaft eingepasste Werkhöfe und Industriegebäude ebenso wie moderne Waldhütten. Solche Bauten haben das Zeug, zeitlos gültig zu sein. Sie zeugen von der Sorgfalt, mit der eine Gemeinde plant, und bekommen damit Vorbildcharakter. Von der Wahl des Standortes über die Nachhaltigkeit des Bauens mit nachwachsenden Rohstoffen aus der Region bis zum Nutzungskonzept, das solche Bauten – wo immer möglich – auch der Bevölkerung zugänglich macht. Auch in diesem Sinne ist die Tegia d’Uaul in Salums Sura durchaus vorbildlich.


 Der Forstwerkhof ist funktional......und praktisch eingerichtet.Platz für die Fahrzeuge.Revierförster Cavigelli hat alles im Blick.Wie ein kleines Dorf im Wald – Waldhütte, Forstwerkhof und Holzschopf in Salums.