Faszinierende Bauweise
Durch den steilen Aufgang zum Estrich sieht man die Untersicht des Daches aus Hourdis. Über dieser Elementdecke aus Tonhohlplatten folgt eine neun Zentimeter starke Schicht Beton, darauf die Dachlatten und die Ziegel. «Der Aufbau dieses Daches hat auch uns überrascht. Gegen eindringende Feuchte von aussen wurde beim Dach nicht einmal Dachpappe eingesetzt, aber es ist trotzdem hundert Jahre lang dicht geblieben.» Im hinteren Teil der Halle ist ein 7,5-Tonnen-Laufkran installiert. Er liegt einerseits auf einem Betonbalken auf, andererseits auf einer genieteten Stahlkonstruktion. «Kein Ingenieur würde das heute noch so bauen», ist Priska Hediger überzeugt, «aber es hat alles ausgehalten – Neubauten in der Umgebung und Erdbeben.» Der Boden wird gerade gedämmt, darüber soll ein Hartsteinholzbelag eingebaut werden. In den anschliessenden Räumen entstehen Garderoben und WC-Anlagen.
Neuen Raum schaffen
Einiges allerdings wurde bereits abgebrochen, anderes – wie die Depoterweiterung von 1928/1929 oder das Gebäude mit dem Gleichrichter – wird ebenfalls verschwinden. «Das Depot steht dann stolz für sich auf den Gleisen.» Der frei werdende Platz wird in Zukunft als Abstellfläche genutzt. Noch stehen hier Baucontainer und Fahrzeuge – der Bahndienst braucht auch während des Depot-Umbaus genügend Raum für seine Arbeiten. Die Kramper, die Gleisarbeiter, die Unterhaltsarbeiter kreuzen sich also täglich mit den Angestellten der Bauunternehmen und freuen sich – bald sind die nicht mehr gebrauchten Gebäudeteile verschwunden, bald ist das Depot beheizt und die Büros sind bezugsbereit.
Nun geht es – auf der Gerüsttreppe hoch – zum Dach. Dort, wo früher durch eine Fensterfläche mehr Licht ins Gebäude fiel, ist die Dachfläche jetzt geschlossen worden. Ein Grossteil der historischen Ziegel ist noch ganz – sie liegen in Stapeln bereit. Derzeit wird die Dämmung auf die Betonschicht aufgebracht und mit einer Folie geschützt. Einige Ziegel scheinen allerdings kaputt zu sein. Erst beim genaueren Hinschauen kann man sehen, dass ihr Vorderteil so abgebrochen wurde, dass mit ihnen die dreieckigen Gaupen gedeckt werden konnten. Weit unten der Vorplatz zwischen den Gleisen: Wo jetzt Eisen liegen und Fahrzeuge stehen, soll die Fläche später betoniert werden.
Als wir vom Dach wieder hinunterkommen, fährt der Lastwagen mit dem Beton an und manövriert sich rückwärts vors dritte Rundbogen-Tor, während der Bagger umgesetzt wird. Priska Hediger entfaltet den neuen Bauplan und zeigt, wo die Schottergleise hinkommen. Den Original-Plan von Otto Manz hat sie auch dabei. Selbst die Ingenieurpläne aus der damaligen Zeit sind erhalten – sie befinden sich jetzt im
Archiv der ETH –, und auch der aktuelle Umbau wird akribisch dokumentiert. «Irgendwann kommt sicher ein Modellbauer, der einen bestimmten Stand nachbauen will – sei es jener der 1950er-Jahre oder gar den Originalzustand.» Hediger lacht und man wartet auf den Hauptdarsteller in diesem Ensemble, den Zug aus Arosa, der um 9.45 Uhr hier vorbeikommen soll.