Abos!

DEPOT CHUR-SAND.

Derzeit wird das Depot Chur-Sand der ?Rhätischen Bahn so umgebaut, dass die bedeutende ?Eisenbetonhalle erhalten bleibt und die Arbeiter ?des Bahndienstes ihre Werkstätte, ihre Büros, Lagerräume ?und Abstellflächen für Zugkompositionen zurückbekommen. ?Eine kurze Begehung der Baustelle.


Text: Fridolin Jakober

Bilder: m2fel.ch

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Wer mit der Bahn von Chur nach Arosa fährt, sieht links ein grosses, traditionelles Haus mit grünen Fensterläden. Nichts Auffälliges ist daran, ausser seiner Dimension, bis der Zug daran vorbeirollt. Dann wird aus dem Haus eine Halle mit sieben Bogenfenstern und drei hohen Rundbogentoren. Von Arosa her ist hier eine Weiche eingebaut, Gleise führen auf die Tore zu. Das ist die «Wagenremise u. Reparatur-Werkstätte auf dem Sand in Chur», 1913 geplant vom Churer Architekten Otto Manz für die damals private Chur – Arosa-Bahn, die seit 1941 zur Rhätischen Bahn gehört. Heute heisst sie schlicht: Depot Chur-Sand und dient dem Bahndienst für den Unterhalt, als Lager und Bürogebäude. Bis vor einem Jahr war der vordere «Hausteil» noch bewohnt. Derzeit allerdings stehen keine Zugkompositionen in der Halle, keine Bauzüge und auch nicht die grosse Schneeschleuder. Denn das Depot wird umgebaut.

Monumental

Punkt 8.15 Uhr steht Bauleiterin Priska Hediger von der Projektabwicklung Hochbau der Rhätischen Bahn AG mit Leuchtwesten und Helmen parat und führt den Fotografen und den Journalisten durch die heiligen Hallen. Tatsächlich wirkt die Stahlbetonhalle mit ihrem steilen Giebeldach, den Rundbogenfenstern und dem Blumenfenster im Giebeldreieck monumental, ja fast ein bisschen sakral. Das hohe Dach wird von schlanken Betonbindern getragen, selbst die Querbalken sind in Beton ausgebildet. Durch dreieckige Gaupenfenster fliesst etwas zusätzliches Licht in die Halle – obwohl dies immer ein Infrastrukturgebäude war, ist alles mit Stil, ja elegant gebaut. Doch der Eindruck verschwindet schnell. Ein Bagger steht im hinteren Bereich, daneben werden gerade Eisen gelegt. Entwässerungsrohre liegen parat. Weitere Bauarbeiter montieren die Schalung, andere trennen mit der Flex Armiereisen. Die Funken sprühen – der Laster mit dem Beton soll zirka um 9 Uhr ankommen.


Die faszinierende Eisenbetonhalle in Chur......wird bis 2020 ausgebaut.

Bedeutende Qualität

Faszinierend ist der Bestand der Halle in seiner hohen Qualität. Die handgezogenen Glasfenster haben die vergangenen über hundert Jahre in ihren filigranen Profilen fast unbeschadet überlebt. Und sie werden hier auch weiter bleiben, geschützt allerdings durch Vorfenster. «Die Anlage von 1914 hat ihre ursprüngliche Substanz und Struktur in hervor­ragendem Masse bewahrt», heisst es im bauhistorischen Inventar. Als Depotwerkstätte im Bestand von 1914 ist sie als schützenswert einzustufen. Als früher Stahlbetonbau ist die Werkstätte ein wichtiges Gemeinschaftswerk von Architektur und Ingenieurbaukunst im frühen 20. Jahrhundert. Otto Manz hat sie mit der Firma Eduard Züblin geplant und ausgeführt. Züblin errichtete im gleichen Zeitraum – ebenfalls für die Arosabahn – mit dem Langwieser Viadukt die damals weitestgespannte Eisenbahnbrücke der Welt in Stahlbeton. Wie der Langwieser Viadukt strahlt auch das nüchterne Depot Chur-Sand eine Leichtigkeit aus, durch die Art, wie Pfeiler und Bogenrippen mit Querriegeln verbunden sind. Es lohnt sich also, dieses Bauwerk zu erhalten. Insbesondere weil es zum Ensemble der Arosabahn gehört – mit ihren Stationsgebäuden im Chalet-Stil, ihren Mauern, Viadukten und Tunnels.


Schöne Details bewahren

Wir verlassen die Halle, um von der Hausseite wieder ins Gebäude zu gelangen. Doch erst mal müssen wir warten – ein Zug aus Arosa kündigt sich an. Reisende schauen erstaunt auf die leuchtenden Westen und die Helme. Der Takt der Bauarbeiten wird – wie alle Fahrzeugbewegungen hier im Churer Sand – von der Arosabahn vorgegeben. Dann geht der Rundgang weiter. Die Wände der Halle werden nicht gedämmt, sonst würden die Fassadenfelder verschwinden. Einzig der Besenwurf soll gereinigt und re­pariert werden. Auf der Frontseite gegen Chur stehen trotzdem Berge von Isolation im kleinen Garten vor dem «Wohnteil», denn gerade wird das Dach gedämmt und wieder eingedeckt. Vor den Fenstern hängen die alten Läden, Frauenköpfe mit Hut dienen als Ladenhalter. All das wird gerichtet, aufgearbeitet und renoviert. Ein Kupferdach schützt den Eingang, man sieht durch das lange Gebäude bis zur anderen Seite, wobei der dreistöckige Wohnteil ge­rade mal ein Zimmer schmal ist. Im Keller befand sich eine Waschküche, in den darüber liegenden zwei Geschossen gibt es kleine Zimmer, die in Zukunft als Büros, Sitzungszimmer und Garderoben genutzt werden. Alles hat irgendwie den nüchternen Charme dieser Jahre: das Treppengeländer mit seinen zarten Stäben, der Handlauf aus Holz ebenso wie die Schränke und der Alkoven in der Dachschräge.


Die Dämmung wird mit Folie geschützt.Bald stehen hier wieder Wagen der RhB.Die Depoterweiterung von 1928/1929.

Faszinierende Bauweise

Durch den steilen Aufgang zum Estrich sieht man die Untersicht des Daches aus Hourdis. Über dieser Element­decke aus Tonhohlplatten folgt eine neun Zentimeter starke Schicht Beton, darauf die Dachlatten und die Ziegel. «Der Aufbau dieses Daches hat auch uns überrascht. Gegen eindringende Feuchte von aussen wurde beim Dach nicht einmal Dachpappe eingesetzt, aber es ist trotzdem hundert Jahre lang dicht geblieben.» Im hinteren Teil der Halle ist ein 7,5-Tonnen-Laufkran installiert. Er liegt einerseits auf einem Betonbalken auf, andererseits auf einer genieteten Stahlkonstruktion. «Kein Ingenieur würde das heute noch so bauen», ist Priska Hediger überzeugt, «aber es hat alles ausgehalten – Neubauten in der Umgebung und Erdbeben.» Der Boden wird gerade gedämmt, darüber soll ein Hartsteinholzbelag eingebaut werden. In den anschliessenden Räumen entstehen Garderoben und WC-Anlagen.

Neuen Raum schaffen

Einiges allerdings wurde bereits abgebrochen, anderes – wie die Depoterweiterung von 1928/1929 oder das Ge­bäude mit dem Gleichrichter – wird ebenfalls verschwinden. «Das Depot steht dann stolz für sich auf den Gleisen.» Der frei werdende Platz wird in Zukunft als Abstellfläche genutzt. Noch stehen hier Baucontainer und Fahrzeuge – der Bahndienst braucht auch während des Depot-Umbaus genügend Raum für seine Arbeiten. Die Kramper, die Gleisarbeiter, die Unterhaltsarbeiter kreuzen sich also täglich mit den Angestellten der Bauunternehmen und freuen sich – bald sind die nicht mehr gebrauchten Gebäudeteile verschwunden, bald ist das Depot beheizt und die Büros sind bezugsbereit.

Nun geht es – auf der Gerüsttreppe hoch – zum Dach. Dort, wo früher durch eine Fensterfläche mehr Licht ins Gebäude fiel, ist die Dachfläche jetzt geschlossen worden. Ein Gross­teil der historischen Ziegel ist noch ganz – sie liegen in Stapeln bereit. Derzeit wird die Dämmung auf die Betonschicht aufgebracht und mit einer Folie geschützt. Einige Ziegel scheinen allerdings kaputt zu sein. Erst beim genaueren Hinschauen kann man sehen, dass ihr Vorderteil so abgebrochen wurde, dass mit ihnen die dreieckigen Gaupen gedeckt werden konnten. Weit unten der Vorplatz zwischen den Gleisen: Wo jetzt Eisen liegen und Fahrzeuge stehen, soll die Fläche später betoniert werden.

Als wir vom Dach wieder hinunterkommen, fährt der Lastwagen mit dem Beton an und manövriert sich rückwärts vors dritte Rundbogen-Tor, während der Bagger umgesetzt wird. Priska Hediger entfaltet den neuen Bauplan und zeigt, wo die Schottergleise hinkommen. Den Original-Plan von Otto Manz hat sie auch dabei. Selbst die Ingenieurpläne aus der damaligen Zeit sind erhalten – sie befinden sich jetzt im
Archiv der ETH –, und auch der aktuelle Umbau wird akribisch dokumentiert. «Irgendwann kommt sicher ein Modellbauer, der einen bestimmten Stand nachbauen will – sei es jener der 1950er-Jahre oder gar den Originalzustand.» Hediger lacht und man wartet auf den Hauptdarsteller in diesem Ensemble, den Zug aus Arosa, der um 9.45 Uhr hier vorbeikommen soll.


Hinter dem Depot wird abgebrochen, um Platz zu schaffen.9.45 Uhr: Der Zug aus Arosa fährt am Depot Sand vorbei.