Abos!

ÜBERSETZT INS HEUTE.

Vorher – nachher: Selten ist dieser Kontrast augenfälliger zu beobachten als bei diesem Umbau eines Hauses auf der Lenzerheide aus den 1980er-Jahren, den Holzrausch vom Sommer bis zum Winter 2019 für eine private Bauherrschaft realisierte. Von aussen ist das Haus bis auf eine Fassaden­änderung dasselbe geblieben, doch die Garage wurde zum Eingangsbereich, und innen entstand ein Ferienhaus, das keine Wünsche offen lässt und das den umbauten Raum ästhetisch überzeugend nutzt. Eine Wärmepumpenanlage mit Erdsonden liefert nachhaltige Energie.


Text: Fridolin Jakobe

Bilder: m2fel.ch; Alice Das Neves

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Wer die sorgfältig aus Antikholz geschaffene Eingangstür öffnet, betritt eine zeitgemäss orchestrierte alpine Wohnwelt. Rechts die Bank mit Lammfellen und Kissen, links eine Truhe vor einer kräftig rot akzentuierten Wand. Hinter weiteren Antikholztüren finden sich Garderoben und Schuh­gestelle sowie die Spensa mit den Vorräten für den nächs­ten Ferienaufenthalt. Ebenfalls im Erdgeschoss erstreckt sich über die halbe Fläche des gesamten Hauses der Wellnessbereich mit einer Teeküche, einem Ruhezimmer, der Sauna mit freistehender Badewanne und Regendusche. Farblich ist hier alles sehr ruhig – im Grau des Natursteins und im natürlichen Ton des Antikholzes gehalten. Über der Badewanne eine weisse Wand – fast wie ein Fenster –, die sich als Landschaft entpuppt. Eine Frau durchwandert sie auf Schneeschuhen.


Farbe am Bau oder als Einrichtungsakzent?

Im ersten Stock öffnet sich das Haus. An der original handgehackten Antikholzwand, die sich fast über vier Meter Höhe im Wohnzimmer mit Galerie erstreckt, hängen Fotografien des Schwarzwälder Fotografen Sebastian Wehrle. Auch zieren seine Schwarzwälder Porträts das Ferienhaus. Im Rückgriff auf die Tradition schaffen sie Spannung – zum Anschauen und Anfassen. Schwarzwald meets Lenzerheide – Tattoo trifft Tracht. Deshalb ist auch das Vorher und Nachher hier matchentscheidend – wie man so sagt.

Farbliche Akzente gab es schon vor dem Umbau – so etwa den Kachelofen mit seinen grünen Kacheln. Jetzt ist dieser ebenso verschwunden wie das Prunkcheminée mit seinem Fries aus geblümten Kacheln und die blau-violetten Bodenplatten in den Bädern. Das gemütliche Kaminfeuer entfachen können die Bewohner jetzt in zwei modernen Cheminées. Als nachhaltige Heizquelle dient eine Wärmepumpe mit Bodenheizung. Decken und Wände sind weiss – ausgenommen dort, wo mit Antikholz, original handgehackt, bewusst ein alpiner wohnlicher Kontrast gesetzt wird. Fürs ganze Haus gilt: Wo Holz verbaut ist, ist Antikholz verbaut – jeweils an einer Wand des Raumes, an der Decke zur Galerie, an den Betten und Waschtischen. Für die Türen wurde Fichte (Antikholz original) verwendet, als Bodenbeläge entweder Landhausdielen (Eiche) oder Natursteinplatten aus einheimischem San Bernardino Silber. Das verleiht allen Räumen Einheitlichkeit – in Weiss, in den haptischen Brauntönen des Holzes und im hell gesprenkelten Grau des Natursteins. In allen Schlafzimmern gibt es jeweils weisse Einbauschränke, welche genügend Platz für die Kleidung bieten.

Die Farben, früher im Bau, sind jetzt eher der Einrichtung vorbehalten – etwa der roten Aufschnittmaschine im Esszimmer mit Küche. Ein Refektoriumstisch für bis zu zehn Gäste setzt hier den Akzent. Daran sitzend kann mit freiem Blick auf das Gebirgspanorama getafelt werden. Die anthrazitfarbene Küche mit Kochinsel und Wein-Klimaschrank zeugt lebhaft davon, dass auch den leiblichen Freuden gefrönt wird.


Der Hingucker: handgehackte Antikholzwand im Wohnzimmer mit Galerie.Truhe vor rot akzentuierter Wand.

Gross? Das geht auch wohnlich

Vor dem Umbau beherbergte dieses Ferienhaus eine Dachwohnung sowie zwei Wohnungen, eine mit Erker, jede mit einem grossen Wohnzimmer und einer darin integrierten Küche, jede mit Galerie unter dem flachen Giebeldach, von dem auch jetzt noch die Balken zu sehen sind. Optisch stachen die Terrakotta-Fliesen ins Auge, die Küchen waren grosszügig ausgerüstet, mit Fronten in Landhausoptik, rund um die Garagentore wuchsen satte Flore von alpinen Pflanzen. Für Holzrausch war es nun die Herausforderung, hier einen veritablen Holzrausch zu entfachen. Diesmal nicht mit Modernität im Kontrast zur historisch gewachsenen, antiken Bausubstanz eines traditionellen Bündner Bauernhauses oder eines Walserhauses, sondern als Kontrast zur historisierend gestalteten Gebäudehülle. Less is more – musste die Devise sein. Das galt vor allem für die Materialien. Schwarze Stahlwangen an den Treppen, farblich abgestimmt auf die restlichen Oberflächen. Glas am Rücklaufgeländer und Glas am Cheminée. In jedem Raum ein echtes alpines Einrichtungsstück mit Geschichte und Herkunft – sei es die zum Tisch umfunktionierte Bank, sei es die Truhe, sei es die Heuleiter als Handtuchständer. Dazu ein stilles, aber effektives Beleuchtungskonzept. Spots an den Wänden, welche Sanduhr-Lichteffekte an die Wand zaubern, Spots in den Decken und dekorative moderne Hängeleuchten, die einen verspielten Lichtkokon spinnen. Und – wo die Rede schon auf die Fäden kommt – gewobenes Leinen, Teppiche, Kissen, Vorhänge aus Naturmaterialien und – wie könnten sie fehlen im Alpinstil – die Lammfelle, welche Behaglichkeit schaffen. Less is more – das gilt auch für die Farbakzente – ein kräftiger pro Raum musste genügen.


Esszimmer/Küche vorherEsszimmer/Küche nachherGalerie vorherGalerie nachherWohnzimmer vorherWohnzimmer nachherErker vorherErker nachherBadezimmer vorherBadezimmer nachher

Wechsel ist gut

Den roten Faden dieses Umbaus hielt gestalterisch das Team von Holzrausch in der Hand. «Die Bauherrschaft liess sich von unseren Ideen begeistern und liess uns arbeiten – deshalb ist diese Transformation auch gelungen.» Die Stärke von Holzrausch ist es, zu spüren, wie viel es braucht, was raus muss und vor allem was den Raum wohnlich macht. Die Klarheit und die Gesamtschau des Entwurfs, die Übereinstimmung von Formen, Farben, Materialien und Licht – das stammt aus einer Feder. Einiges ist dabei neu hineingekommen – insgesamt gibt es vier Doppelschlafzimmer, alle eingerichtet mit Antikholzbetten und jeweils einer Wand aus gehackten Antikholzbalken. Zu jedem Schlafzimmer gehört auch eine Nasszelle mit Dusche, Waschtisch und WC. Zudem entstand im Dachgeschoss neben der Bibliothek ein Schlafraum für Kinder mit drei Schlafplätzen sowie separatem WC und Dusche. Doch manches galt es auch zu integrieren – schliesslich handelt es sich um einen Umbau, nicht um einen Neubau. Das erforderte Kompromisse. Doch selbst das, was im Stil der 1980er-Jahre beibehalten wurde, strahlt angepasst und eingerichtet im Alpinstil moderne Gemütlichkeit aus: Die Rundbogentüren, das halbrunde Fenster im Giebel und vor allem der Erker, der zum Lieblingsort der Kinder wurde. Die Bauherrschaft liess sich inspirieren, brachte selber ihre Wünsche und Ideen ein und hatte den Mut, die früheren Wohnungen zu einer Einheit zusammenzufassen. Der Mut zu einer Transformation, welche hier ungeahnte Früchte trug.


Less is more: Das galt sowohl bei den Materialien wie bei den Farben.Alpiner Wellnessbereich mit Sauna von Ging Saunabau – über der freistehenden Badewanne führt eine Spur in den Schnee.Moderne Gemütlichkeit in Betten von Holzrausch.Kontrast: Naturstein und verspielter Leuchter.