Abos!

OBER JUPPA, AVERS – EINE LIEBESGESCHICHTE.


Der erste Ort, den mir vor vielen Jahren mein künftiger Ehemann in Graubünden zeigte, war das Avers. Warum wohl? Was fasziniert die Besucher an diesem Hochtal, dass es sie nicht mehr loslässt? Gibt es in Graubünden noch andere solche Orte, was zeichnet gerade das Avers aus? Die Höhe? Die ganzjährige Besiedelung auf über 2000 Metern über Meer? Die Abgeschiedenheit?


Text: Gisela Kuoni

Bilder: FBM studio

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Geheimnisumwitterte Sagen von Hexen und Geistern locken Kenner noch heute ins scheinbar abgelegene Hochtal. Doch eine «Sackgasse», wie es einen die Strassenkarte glauben macht, ist das Avers keineswegs. Ehemals fanden geschäftstüchtige Säumer und heute kundige Wanderer den Weg von Juf über den Stallerberg ins Oberhalbstein, durchs Val Madris, oder über den Septimerpass oder die Forcellina ins Bergell. Frühmittelalterliche Besiedlungsspuren sind nachgewiesen. In unseren Tagen bringt einen auf gut ausgebauter Strasse das Postauto sommers und winters bis ans Talende. Auch wenn die Romantik des Einfeuerns mit getrocknetem Schafs- oder Kuhmist modernen Ölheizungen gewichen ist, wenn Geranien in Kunststoffkübeln wuchern oder als Holz getarnte Plastiktischtücher einheimisches Flair simulieren und Bausünden auch im Avers nicht zu übersehen sind – eine aussergewöhnliche Anziehung, im Tal zu verweilen oder eben gar sich hier niederzulassen, bleibt. Das empfand auch die Bauherrschaft, wenn auch vielleicht nicht auf den ersten Blick. Doch das Avers und ganz besonders das alte Walserhaus in Avers Juppa – auch ohne es je von innen gesehen zu haben – liess das Ehepaar nicht mehr los. Im «Glücksjahr» (Zitat) 2011 konnten sie es kaufen, Haus und Stall und Garten. Ausräumen, messen und planen waren die nächsten Schritte. Architekt Alfred Candrian aus Sagogn trat auf den Plan und mit ihm ein fundierter Kenner und leidenschaftlicher Kämpfer für die Erhaltung alter Bausubstanz. Sobald der Schnee anfing zu schmelzen, begannen die Aussenarbeiten, sanft, respektvoll und behutsam. Das Ziel war, im Winter mit dem Innenausbau weitermachen zu können. Als gewiefter Fachmann weiss Candrian, was erhaltenswert ist, er wägt weise ab, welche Eingriffe zu verantworten sind, um die Ansprüche moderner Wohnkultur zu gewährleisten und dennoch den Charme und die Authentizität eines historischen Gebäudes zu erhalten. Begeisterungsfähigkeit für das Objekt, Mut, Respekt und Vertrauen zwischen Bauherrschaft und Architekten sind unerlässlich. Doch in Juppa braucht es noch mehr.


Situation LiegenschaftWinteransicht von SüdwestenSommeransicht von SüdwestenUrzustand Landwirtschafts-StallBaubeginn, Ausbruch-StallSkizze zu Erschliessung, UmgebungsarbeitenStallansicht von Norden um Urzusatn und......nach dem Umbau

So überzeugt der schnörkellose Innenausbau, die Kombination von altem Arvenholz mit hellem Ahorn für neu eingebaute Möbel, Küche etc. Klarheit und Zweckmässigkeit sind im Gleichgewicht mit dem Geheimnis alter Bausubstanz, mit ihrer Geborgenheit und ihrem Charme. Küche und Nasszellen vereinigen Eleganz und Funktionalität. Gelungen ist auch die Lichtführung durch Wohnhaus und Stall. Technisch anmutende Leuchtkörper dienen nicht der Dekoration, sie sind praktische, sachliche Gebrauchsgegenstände. Eine historische Giebeltruhe steht dem Arbeitstisch mit Computern gegenüber, eine weitere antike Truhe belebt ein Ensemble mit Charles-Eames-Stühlen. Bei aller Offenheit und Luftigkeit der Räume reiht sich Blickfang an Blickfang – eine Couch von Le Corbusier mit grünem Gestänge, ein weisser gemauerter Ofen, eine besondere Lampe, Garderobe, ein Bücherregal – jedes Stück knapp und erlesen. Aufgänge und Treppen machen neugierig auf immer neue Durchblicke, mit Winkeln und Nischen und sich öffnenden Zwischenböden oder einer eingelassenen, windgeschützten Terrasse mit überwältigendem Blick auf Berge oder Skihänge. Das Ensemble ist gelungen, eine wohltuende Einheit von Haus und Stall, Garten mit Blumen und Gemüse und naturbelassener Umgebung, sanft erschlossen, abgelegen und doch integriert ins Talgeschehen. Bergfrühling, Sommerfarben, Herbstlicht und winterliche weisse Pracht wärmen Herz und Sinne. Wer je einen Blick in das von Alfred Candrian restaurierte Walserhaus werfen konnte, versteht, dass man hier bleiben möchte.


Stube im WalserhausKücheSchlafzimmer unter dem DachWohnzimmerBadezimmerKaffee-KücheAusschnitt Fensterdetail