Das Anliegen ist alt. Bereits in den 1960er-Jahren wurde darüber diskutiert, wie man Chur vom Verkehr nach Arosa befreien könnte. 1970 präsentierte das kantonale Tiefbauamt ein erstes Vorprojekt: Eine Brücke über die Plessur, 575 Meter lang und 150 Meter hoch. Sechs schlanke Stützen würden die sieben Meter breite Fahrbahn tragen. Voraussichtliche Baukosten: 12 bis 15 Millionen Franken.
Der kühne Wurf scheiterte an der Finanzierung. Danach kehrte Ruhe ein. Erst 2006 forderte der Grosse Rat die Regierung explizit auf, die «Arosafrage» erneut aufzugreifen, eine Machbarkeitsstudie zu erstellen und Varianten zu studieren. Ein Auflageprojekt lieferte 2008 Einsichten. Als zweckmässigste wie nachhaltigste Variante wurde wiederum zwischen Araschgenrank und Schanfiggerstrasse eine Brücke über die Plessur vorgeschlagen, 430 Meter lang und mit einer Fahrbahnbreite von sieben Metern. Kosten: 33 Mio. Franken. Es folgten Einsprachen – bis vor das Bundesgericht. Dieses hiess 2014 die Beschwerde von sechs Anwohnern teilweise gut. Die Regierung musste weitere Varianten prüfen. Das ist inzwischen geschehen, sodass in absehbarer Zeit mit einem neuen Auflageprojekt gerechnet werden kann. Immerhin hat die Regierung Ende August 2016 dieses 60-Millionen-Brückenprojekt ins Strassenprogramm 2017 bis 2020 des Kantons Graubünden aufgenommen. Das bedeutet: Mit dem Bau könnte somit noch vor 2020 begonnen werden.
So weit die Fakten. Nur, wie soll diese Brücke aussehen? Diese Frage ist insofern von Belang, als dass die St.-Luzi-Brücke an einem Ort geplant ist, wo jede Intervention sich auf das Churer Stadtbild auswirkt. In technisch-ästhetischer Hinsicht wurde beim kantonalen Tiefbauamt bereits beim Auflageverfahren von 2008 eine Marke gesetzt. «Wir haben damals sämtliche Brückentypen durchgespielt, Brücken mit mehreren Pfeilern, Schrägseilbrücken wie Hängebrücken», sagt der stellvertretende Kantonsingenieur Roger Stäubli, «und uns schliesslich aus topografischen wie geologischen Gründen für den Bau einer Betonbogenbrücke entschieden, die zudem das Stadtbild an diesem sensiblen Ort am wenigsten belasten würde.» An dieser Einschätzung, so Stäubli, habe sich nichts geändert.
Das letzte Wort dürfte allerdings noch nicht gesprochen sein. Gut möglich, dass noch ein Planungswettbewerb ausgeschrieben wird, über den die Brücke dann ihre definitive Form finden wird. Dieses Vorgehen wäre der Stadt Chur eigentlich zu wünschen. Denn eine Brücke von solchen Dimensionen ist ein Wechselspiel zwischen Natur und Technik und somit immer auch eine Inszenierung. Ein Wettbewerb liefert dabei über die Funktionalität hinaus ästhetische Varianten. Dass sich eine solche Weitung des Blicks lohnt, zeigt die Taminabrücke bei Pfäfers. 2007 schrieb der Kanton St. Gallen einen internationalen Wettbewerb aus. Von den 24 Projektverfassern wählte die Mehrheit als Tragsystem den Bogen (http://www.taminabruecke.ch/24-brucken-vier-rangierte-projekte). Ein Vergleich dieser Vorschläge mit dem inzwischen realisierten Siegerprojekt des deutschen Ingenieurbüros Leonhardt, Andrä & Partner dokumentiert, dass der gleiche Typus nicht zwingend gleich aussehen muss. In diesem Fall befand die Jury, sei der lange, schmale Bogen «ästhetisch kraftvoll. Gerade ihrer Asymmetrie verdankt diese Bogenbrücke ihre geschickt austarierte Einbettung.»
Am Südrand von Chur bestünde die Möglichkeit, am Kapitel der Bündner Brückengeschichte des 20. Jahrhunderts weiterzuschreiben, das mit Robert Maillarts (1872 – 1940) Salginatobelbrücke bei Schiers 1930 seinen Anfang nahm und seinen Ruf nachhaltig prägte. Sie soll, wie kürzlich zu vernehmen war, gar mit dem Label Unesco-Welterbe geadelt werden. Es ist übrigens nicht die einzige Marke, die Maillart in Graubünden gesetzt hat. Die erste stammt aus dem Jahre 1925: Die Valtschielbrücke bei Donat, Maillarts erste, heute noch erhaltene Stabbogenbrücke. Seine dritte Bündner Arbeit entstand fünf Jahre später: Die Landquartbrücke der RhB in Klosters, die allerdings 1993 abgebrochen und durch ein klobiges Ungetüm ersetzt worden ist.