Abos!

CNCHOLZ: «WIR SIND FANS!»

In Tiefencastel – am Fusse von Julier und Albula – und in Susch – am Fusse des Flüela – arbeiten die beiden Schreiner Renato Projer und Peider Müller. Über den Alpenkamm hinweg haben sie mit CNCHolz ein innovatives Unternehmen gegründet, wo sie mit Hightech und Cleverness in die Zukunft der Holzbearbeitung einsteigen. In einer Nische, die bisher von Kunstschnitzern und Modellbauern besetzt war.


Text: Karin Eger

Bilder: Alice Das Neves

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Kenner lassen sich ihren Namen auf der Zunge zergehen: «Ah, eine Pade Spin!» Doch dem Laien sagt das wenig. Selbst wenn er erfährt, dass es sich dabei um eine Fünf-Achs-Maschine mit hoher z-Achse handelt. Wenn er dann allerdings zuschaut, wie diese Maschine aus einem Rohling eine Bienenwabe zaubert oder die anatomisch perfekte Nachbildung einer Hand, wächst die Verblüffung und er fragt sich, warum diese Hightech-Maschine zusammen mit vier weiteren in einer ehemaligen Sust in Tiefencastel steht, wo einst bis zu 40 Pferde gehalten wurden, und nicht in einem Industriekomplex. Vielleicht ist das so, weil die Männer, die mit diesen Maschinen Holz und Kunststoff fräsen, in Susch und Tiefencastel daheim sind: Peider Müller und Renato Projer. Beide führen eine kleine Schreinerei und haben sich – unter www.cncholz.ch – für einen gemeinsamen Auftritt entschieden. Kennengelernt haben sich die beiden Tüftler bei CNC-Kursen, die sie in der Engadiner Lehrwerkstatt gaben, dort haben sie auch Feuer gefangen für die computergesteuerte maschinelle Holzbearbeitung mit CNC. Eine Leidenschaft, für die sie Opfer bringen, auch finanzielle. Denn Maschinen und Werkzeuge seien teuer, die Software sogar «sehr teuer», und Renato Projer meint dazu, indem er auf die Werkzeugschublade zeigt: «Wenn mi frogsch, wenn i das wider brucha...I waiss nit.»


Aufträge von neuen Kundengruppen

Doch aus der neuen Leidenschaft sind neue Kundengruppen erwachsen. Die Schreiner und CNC-Profis arbeiten für Restauratoren, Künstler und Designer, aber auch für die Industrie, den Modellbau, Skifabrikanten und im Schalungsbau. Zuerst einmal, um die teuren Maschinen zu amortisieren. Oder wie Renato Projer es ausdrückt: «Wir haben die Maschinen gekauft, deshalb müssen sie jetzt auch laufen.» Einer dieser Künstler ist Mirko Baselgia. Er verwendet gerne Holz für seine Werke und arbeitet mit Handwerkern aus der Region zusammen. Deshalb nutzt er seit 2010 die Kompetenz von CNCHolz. Baselgia dazu: «Ich schätze besonders die Professionalität, aber auch das grosse Knowhow und die hohe Präzision. Zudem experimentieren sie bereitwillig mit dem Material und den technologischen Möglichkeiten. Nicht alle sind bereit, dieses Risiko einzugehen – ich bin froh, da Partner für meine ehrgeizigen Versuche gefunden zu haben.» Für Renato Projer macht das die Arbeit interessant, auch wenn Künstler immer wieder etwas anderes wollen. Ein spannendes Segment sind die Kunden aus der Industrie, auch wenn es dazu – so Projer – höchste Genauigkeit braucht und damit geeignete Maschinen, die beim Fräsen nicht mehr als wenige Hundertstel Millimeter abweichen. «Am liebsten sind uns die Designer: Die zeichnen sehr genau. Aber man muss immer zuerst den Auftraggeber kennenlernen und sich in seinen Bedarf eindenken. Die von der Industrie fragen nach den Maschinen, der Künstler hat alle fünf Minuten eine andere Idee, da ist dann Geduld gefragt.»


Eine Schalung entsteht.Für jede Art der Bearbeitung ein eigenes Werkzeug.Für jede Art der Bearbeitung ein eigenes Werkzeug.Millimetergenau gefrästes Stillleben aus Holz.Vorlage und Abbild: Aus einem Sitz wird ein Sitz.

Schreinerhandwerk bleibt zentral

Projer greift in ein Fass, das mit hauchdünnen Kunststoffspänen gefüllt ist: «Da haben wir Modelle fürs Fotomuseum in Winterthur gemacht. Auf der Basis von Fotografien sind ganze syrische Städte entstanden, bis hin zu den Rauchwolken der Bomben. Wer könnte das sonst?» Kunststoff hat – so Projer – den Vorteil, dass er formstabiler bleibt als Holz – Holz lebt und arbeitet immer, wie fein auch immer die Faser sein mag. Doch ob Kunststoff oder Holz, für grosse Schreinereien und Bauschreinereien sind Müller und Projer keine Konkurrenz. «Wir sind eher Metallbearbeiter, einfach mit Holz.» Deshalb übernehmen sie von anderen Unternehmen Aufträge – etwa für spezielle Schalungen oder für 3D-Formen in der Industrie oder im Modellbau. Tatsächlich aber gehören die beiden in der Holzbranche zu den Vorreitern, weil sie die Möglichkeiten von CNC in der Holzbearbeitung kreativ ausreizen. Handlaufprofile, Gebrauchsgegenstände mit modernem Design, komplexe Möbelteile – die Möglichkeiten sind fast grenzenlos und die beiden sind motiviert. «Wir haben vieles aus der Metallbranche abgeschaut, die sind viel weiter.» Sie haben sich die Anwendung der komplexen Software selbst beigebracht. Doch das Knowhow aus dem Schreiner-Handwerk bleibt unverzichtbar. «Zu sehen, wie das Holz läuft, ein Gefühl für Holz und Handwerk haben, genau zeichnen können – das braucht es immer noch, ja mehr denn je.» Deshalb wird die CNC-Maschine auch den Schreiner nicht ersetzen. Vielmehr gibt sie ihm Möglichkeiten, von reinen Bauschreinereiarbeiten und vom Reproduzieren wegzukommen. In Bereiche, wo bis jetzt Modellbauer tätig waren. Und wer sich die Kugellagerstühle mit ihrer perfekten anatomischen Passform, die Holzbestecke und Schüsseln der Linie Palutta oder die Treppentritte aus Karbon anschaut, der ahnt – auch als Laie –, dass da noch mehr kommt.


Renato Projer «liest» das Holz mit den Fingern.Ohne das Knowhow der Schreiner geht auch mit CNC nichts.

Renato Projer und Peider Müller

Als selbstständiger Schreiner in Tiefencastel war Renato Projer einer der ersten im Kanton Graubünden, der eine CNC-Anlage besass, und er hat sich damit auf das Herstellen komplexer Formen spezialisiert. Ob Kunstwerke, Schalungen oder Instrumente, ob Treppen, Handläufe oder Holzgeschirr und Besteck – auf seinen CNC-Maschinen entstehen kunstfertige Objekte aller Art. Nach der Schreinerlehre und der Meisterschule in Bern war er sechs Jahre Produktionsleiter in der Lehrwerkstatt im Engadin. Seit mehr als 30 Jahren hat sich Peider Müller dem Holz verschrieben, seit 2011 führt er den eigenen Schreinereibetrieb in Susch und setzt CNC-Maschinen für Kundenaufträge sowie bei Lohnarbeiten für andere Schreinereien ein. Im Rahmen seiner Lehrtätigkeit an der Engadiner Lehrwerkstatt arbeitete er mit Renato Projer aus Tiefencastel zusammen, dort legten sie den Grundstein für ihre Firma CNCHolz.


Peider Müller und Renato Projer