Abos!

BÜNDNER KUNSTHANDWERK-PREIS 2018.

Pressemitteilung der Stiftung Bündner Kunsthand­werk: «Martin Bachmann, Schreiner und Inhaber von irr&sinnig möbel in Furna, wird für seine konsequente Haltung gegenüber Handwerk und Material ausge­zeichnet, für seine experimentelle Annäherung an den Rohstoff Holz, seinen sparsamen und nachhaltigen Umgang damit, und nicht zuletzt für seine Liebe zum Beruf.»


Text: Marietta Kobald

Bilder: Alice Das Neves; Frederic Meyer

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Ein Augenschein

Ausser der Hochebene Danusa ist in Furna alles steil, auch der Weg hoch zur Werkstatt von Martin Bachmann, mit dem Auto nicht zu schaffen. Aber dafür ist die Aussicht über das mittlere und hintere Prättigau überwältigend.

Der Zugang zur Werkstatt ist windgeschützt, führt durch einen Schopf mit Brennholzstapel. Drinnen ertönt eine Maschine, Klopfen ist demnach unwirksam. Bachmann steht an seiner Kombimaschine und fräst gerade Nuten in ein gehobeltes Nussbaumbrett. Er nimmt den Gehörschutz ab, grüsst und bietet Kaffee an. Auf einem leichten, eleganten Stuhl aus Kastanienholz und Kuhleder sitzend, erzählt er von seiner Arbeit, seinem Werdegang. Derweil dreht er die Kurbel einer alten Kaffeemühle, die er zwischen seine Knie geklemmt hat.

Seit fünf Jahren lebt und arbeitet Bachmann in Furna, konnte diese kleine Werkstatt von einem Bauern übernehmen und seinen Bedürfnissen anpassen. Dorf und Leute kennt er aber schon aus seiner Zeit als Hirte auf einer Alp hier oben, hat damals Freunde gewonnen und diese immer wieder besucht. Seine Verbindungen zum Prättigau gehen allerdings bis zu seinen Ur­grosseltern zurück, diese stammten aus Fanas. Nach seiner Ausbildung zum Schreiner arbeitete er mehrere Jahre in Rom bei einer genossenschaftlich organisierten Schreinerei.


Fast alles hat seinen Platz.Millimeterarbeit auf der Fräse.

Dünn und filigran

«Über die Jahre ist in dieser Werkstatt eine Atmosphäre entstanden, in der ich mich wohlfühle, mich daher gut auf die Arbeit einlassen kann», sagt Bachmann, indem er Kaffee einschenkt, eine silberne Zucker­dose und ein filigranes Holzstück auf den Tisch stellt. Bei Letzterem offenbart sich Bachmanns Einstellung zum Material Holz aufs Beste. Es handelt sich um einen dünnen, quadratischen Abschnitt von Traubeneiche, mit der Bandsäge bis auf einen Drittel der Höhe in hauchdünne Streifchen gesägt. Diese können nun abgebrochen werden und dienen als Espressolöffeli, wunderbar riechenden, die ihren Duft erst recht entfalten in Verbindung mit dem heissen Kaffee. «Traubeneiche riecht sehr fein, hat eine frisch-süsse Note.» Dies hat Bachmann während einer Auftragsarbeit für ein Bettgestell aus ebendiesem Holz festgestellt. Die Herstellung von diesem hübschen Gebrauchsgegenstand dient ihm auch als tägliche Konzentrationsübung und dabei verwertet der 37-Jährige gleich noch Holzabfälle.

Hier in Furna habe er das Glück, früh und unmittelbar auf das zu verarbeitende Holz Einfluss zu nehmen. In nächster Umgebung wachsen Fichte, Ahorn, Lärche, Esche oder Ulme. Sein Nachbar, der Sägereibesitzer Fluri Züst, sägt es in der gewünschten Stärke und Bachmann kann es über einige Jahre draussen an der Furner Luft trocknen lassen. «Später lagere ich es auf dem Dachboden meiner Werkstatt und vor dem Weiterbearbeiten trockne ich es auf die gewünschten circa zehn Prozent hier in der geheizten Werkstatt», erklärt er.

Ungewohnt dünne Ahornbretter-Stapelchen trocknen momentan auf einer Werkbank, werfen filigrane Schattenlichter auf den Boden. Sie sind das Grundmaterial für «Lichtfänger», so nennt Bachmann ein Wandregal aus Ahorn, welches mit einem Schieberchen aus hauchdünnem, geflochtenem Holz versehen ist. Entwickelt hat er es gemeinsam mit der Künstlerin Sandra Kühne.


Der Platz ist begrenzt.Für kleine sinnliche Ausseinandersetzungen im Alltag.Auf dem Dachboden lagert Bachmann sein Holz.Modelle und Gefundenes mischen sich auf dem Fensterbrett.

Tüfteln und weiterentwickeln

Mehrheitlich arbeitet Bachmann auf Bestellung, macht jeweils Vorschläge in Miniaturgrösse. Davon zeugen verschiedene Möbelchen, die ähnlich einer Puppenstube in einem Regal ausgestellt sind. Feinstarbeit, ebenfalls aus Holz und bereits mit der für ihn typischen Pigmentfarbe an schmalen Frontflächen eingefärbt. Wie sein dreiteiliges Bettgestell «Corelia» aus Lärchenholz. Die braunrote Pigmentfarbe stellt er selber her, tüftelt an Mischungen aus Leinöl, natürlichen Pigmenten, Casein, Russ oder Sumpfkalk. «Manchmal misslingt es, wie gestern, da ging mir eine Mischung gründlich in die Hose», sagt er und lacht dazu. Aber dieser Prozess sei ihm wichtig, dazu nehme er sich die Zeit.Sein neuestes Projekt ist eigentlich eine Weiterentwicklung des ersten Stuhlmodells «Davatz» – seiner Grossmutter gewidmet –  aus Kastanie und Leder, Kuhleder ungeschnitten, in seiner ganzen Dicke, daran tüftelt er zusammen mit Spezialisten aus der Lederbranche. So treffen sich nicht nur Holz und Leder an der Stuhlkante, sondern auch Menschen, die sich jeweils vertieft mit diesen Werkstoffen auseinandersetzen.

Zum Abschied erhält die Schreiberin Espressolöffeli aus Traubeneiche. Nach gut einer Woche sind davon zwei Stück abgebrochen. Sie danach zu entsorgen, war einfach zu schade, also unter fliessendem Wasser abspülen und trocknen lassen.

Morgen nach dem Mittagessen finden die beiden wieder Verwendung.


Möbel mit Schieber «Lichtfänger».Bettgestell «Corelia» aus Lärchenholz.

Bündner Kunsthandwerk-Preis
Die Stiftung Bündner Kunsthandwerk fördert Kunsthandwerkerinnen, Designer und Gestalterinnen mit Geldbeiträgen und Öffentlichkeitsarbeit. Sie ist 1998 als Nach­folgerin des Bündner Heimatwerks entstanden, dessen Genossenschafter der Stiftung ihr Vermögen übergaben – ein Haus in der Churer Altstadt. So können jährlich zwischen CHF 30 000.– und 40 000.– ausbezahlt werden.

Es gibt Anerkennungspreise für ein Lebenswerk und Förderpreise für ein Projekt oder einen bemerkenswerten Beitrag. Bewerberinnen und Bewerber müssen in Graubünden wohnen oder ihre Arbeit soll einen engen Bezug zum Kanton haben. Der Stiftungsrat ist auch die Jury.

Dem Preisträger 2018, Martin Bachmann, wurde die mit CHF 10 000 dotierte Auszeichnung im Rahmen einer Feier am 12. März 2018 in Chur überreicht.

www.kunsthandwerk-gr.ch


Martin Bachmann