Abos!

AUS ERINNERUNGEN GESCHÖPFT.

Am Dorfrand von Fläsch haben sich Gabriella und René Pahud ihre eigene Vision von einem Haus entworfen. Es lebt von zahlreichen Erinnerungen an eine Kindheit und versprüht gerade dadurch einen eigenwilligen Charme.


Text: Maya Höneisen

Bilder: Alice Das Neves

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Sie wollte schon immer in Fläsch wohnen. Der Grund? Wenn sie als Kind von Bad Ragaz, wo sie aufgewachsen ist, über den Rhein nach Fläsch schaute, hatte dieses Dorf mehr Sonne. Ein durchaus nachvollziehbares Motiv, sich an das gegenüberliegende Rheinufer hinzuwünschen. Gabriella Pahud hat sich zusammen mit ihrem Mann René diesen Wunsch erfüllt, auch wenn zuvor einige Hürden zu nehmen waren. Genau diese gaben aber die Zeit, die eigenen Ideen wachsen zu lassen und sorgfältig Erinnerungen und Lebensphilosophien mit der Planung zum Haus zu verweben. Nicht zu vergessen die Sonne, die schon in Gabriellas Kindheit mehr Strahlen auf Fläsch als auf Bad Ragaz warf und im eigenen Heim ihrer Rolle gerecht werden sollte. Eingefangen werden ihre Strahlen heute, gut durchdacht, in allen Räumen. Einmal über grosse verschiebbare Fenstertüren im Wohn- und Küchenbereich, die den Raum zur grosszügig angelegten Terrasse hin öffnen und ihn mit der Aussenwelt verbinden. Ein anderes Mal über in Nischen eingelassene und an Luken erinnernde Sprossenfenster. Sie könnten aus einem historischen Haus mit dicken Mauern stammen. Auch dies wohl ein bisschen Erinnerung an die gute alte Zeit, welche die Pahuds ins Heute mitgenommen haben.


Der Ofen als Familientreff

Es sind viele dieser Erinnerungen, die in das Haus eingeflossen sind. Bereits als Kind sei sie eine Sammlerin gewesen, erzählt Gabriella. Schon damals liebte sie all die Dinge ihrer Grosseltern und Urgross­eltern, die Familiengeschichte zeigen. Unzählige Zeitzeugen aus der Vergangenheit sind denn auch eingebaut oder dienen als Dekoration. Das Zentrum des Hauses ist die grosse, offene Wohnküche im ersten Stock. Da war ein Ofen für die Hausherrin ein Muss, «einer, um den sich die ganze Familie versammeln kann». Es wurde ein Pizzaholzofen, der jeden Sonntagabend für eine gemütliche Familienrunde zum Mittelpunkt wird. Daneben glänzt ein gusseisernes Relikt. «Er stand früher vermutlich in einem alten Patrizierhaus. Zuletzt war er in einem Eisenbahndepot in St. Gallen im Einsatz», weist Gabriella auf den alten Holzkochherd mit den drei Feuerstellen hin. Benutzt wird er höchstens für Speisen mit einer längeren Kochzeit, zum Beispiel eine Gerstensuppe. Für den Alltagsgebrauch dient ein Induktionsherd. An die verputzten Wände sind in Originalschrift Koch­rezepte aus dem Rezeptbuch der Ur-Urgrossmutter übertragen. Im Wohnbereich lädt eine gemütliche Nische mit einem Kaminofen als Rückzugsort ein. «Es braucht offene Räume, aber auch Möglichkeiten, für sich zu sein», ist Gabriella überzeugt.


Verschiebbare Fenstertüren öffnen die Räume im ersten Stock zu Terrasse hin.Liebevoll arrangierte Details geben den Räumen Atmosphäre.

Acht Jahre des Wartens

«Ich wollte immer ein Haus, in dem eine grosse Familie Platz hat», erklärt Gabriella weiter. Im Jahr 2001 fand sie mit ihrem Mann die passende Parzelle im Wunschort Fläsch. Aus für Gabriella und René nachvollziehbaren Gründen war aber der Eigentümer lange Zeit nicht von einem Verkauf zu überzeugen. «Wir warteten ganze acht Jahre auf dieses Stück Land», erinnert sich Gabriella. Im Jahr 2009 wurde dann der Deal Realität. Zu ihrer Parzelle kam mit dem heutigen Garten eine zweite danebenliegende hinzu, insgesamt ungefähr tausend Quadratmeter waren nun ihr Eigentum. Entwürfe und Pläne ihrer Vorstellungen vom Haus hatte das Paar dank den acht Jahren des Wartens genügend in der Schublade, Gabriella als die Kreative, René als derjenige, der die Ideen und Visionen jeweils zu Papier brachte. Von Flohmärkten und aus Brockenhäusern trug Gabriella Einzelstücke zusammen. Erinnerungsstücke aus ihrer eigenen Familiengeschichte warteten darauf, zu neuem Leben erweckt zu werden. Alte Ton­platten aus Frankreich, die im Wohnbereich eingebaut werden sollten, waren eingelagert, ebenso historische Holztüren, Schränke und viele andere Raritäten. Im Herbst 2009 war Baustart. Der Architekt, verantwortlich, die Pläne bewilligungsfähig zu Papier zu bringen, sowie für Baueingaben und Statik, sorgte dafür, dass das Projekt erfolgreich in die Tat umgesetzt werden konnte. Im Frühling 2010 zog die Familie in rund 280 Quadrat­meter Wohnfläche, verteilt auf drei Etagen, ein.


Rezepte aus dem Kochbuch der Ur-Urgrossmutter liessen die Hauseigentümer auf die Wand in der Küche übertragen.Wichtig war bei der Planung ein geräumiger Wohn-Ess-Bereich für die ganze Familie.

Wellness mit Aussenbereich

Der kopfsteingepflasterte Eingang zum Haus mit dem schweren Holztor weckt Erinnerungen an überlieferte Bautradition. Hinter der Türe liegt das geräumige Entrée, das gleichzeitig als Warteraum für Gabriellas Klienten dient. Sie ist Inhaberin der im Parterre des Hauses untergebrachten Praxis für Kinesiologie und Coaching. Ebenfalls im Parterre beherbergt eine Einlieger­wohnung zurzeit einen der Söhne. Ein Wellnessbereich ist offen für Familienmitglieder und Freunde. Da dominieren im Innern ein Heubett, gezimmert aus Balken eines alten Stalls, und eine Holzwanne. Ein Bogenfenster ist auf die Nachmittagssonne ausgerichtet. Eine mit Sandstein ausgelegte Dampfsauna und eine Massageliege runden den Innenbereich ab. In einem kleinen Vorhof, umrandet von den Pflanzen im Garten und windgeschützt, laden finnische Sauna und Whirlpool zur Entspannung ein.


Schlafen unter dem Sternenhimmel

In den ersten Stock führt eine geschwungene Steintreppe. Fens­ternischen, gefüllt mit Zierkissen und Kinderspielsachen, geben den Blick in die Natur frei. Sie habe als Kind im Haus ihrer Gross­eltern oft auf den Treppenstufen gespielt, erzählt Gabriella. Diese eigene Erinnerung bringt sie heute für ihre eigenen Enkel ins Haus ein. Neben der Nasszelle und dem Wohn- und Küchenbereich im ersten Stock versteckt sich ein Doppelzimmer mit einem kleinen romantischen Balkon, geschützt von einem grossen, Schatten spendenden Baum. «Ein guter Ort, wenn es im Sommer sehr heiss ist», meint Gabriella. Eine Stiege höher sind ein Arbeitszimmer, Schlaf- und Spielnischen, wiederum für die Enkelkinder, und Renés Büro eingerichtet. Hier wurde Fichten-Rohholz verbaut. Denn: «Holz muss neben dem verputzten Mauerwerk in den unteren Geschossen für mich auch sein», hält sie fest. Das gemeinsame Schlafzimmer hat sich das Paar ganz zuoberst eingerichtet. Ein Horst mit verschiebbaren Dachfenstern, der im Sommer unter dem offenen Sternenhimmel träumen lässt. «Einzigartig», schwärmt Gabriella. Sie sei sowieso ein Naturmensch und gerne so oft wie möglich im Freien.

Ein Blick in den Garten bestätigt den Natur- und Familienmenschen Gabriella. Der über 100 Jahre alte Nussbaum, den sie sich schon seit Beginn der ersten Pläne im Garten gewünscht hat, breitet sein Blätterdach aus. Hunderte von Rosen blühen jeweils im Juni, wenige Wochen später der Lavendel. Mit viel Liebe zum Detail – wie schon im Hausinnern – sind verschiedene zwischen Blumen und Sträuchern versteckte Plätzchen hergerichtet, um zusammenzusitzen oder um sich zurückzuziehen, auszuspannen und die Sonne zu geniessen. Diejenige, die in Fläsch ja bekanntermassen ein bisschen länger scheint.


Acht Jahre lang warteten Gabriella und René Pahud auf das Stück Land, auf dem sie ihren Wohntraum verwirklichen konnten.Im Wellnessbereich sind Familienmitglieder und Freunde gerne willkommene Gäste.Im grossen Garten sind verschiedene Plätze zum Verweilen eingerichtet.Nussschalen nachempfundene Holzschalen laden ein, die Ruhe im Garten zu geniessen.